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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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sich.
    Heinrich wusste nicht, ob es klug war, den Kurator zu unterbrechen, tat es nichtsdestoweniger und wandte ein: „Aber niemand ist in der Lage, die Hieroglyphen zu übersetzen.“
    Al Hadary legte den Kopf in den Nacken und lachte laut, ein bellendes Geräusch, dem keinerlei Humor innewohnte, nur Überheblichkeit und Dünkel. Dann sah er den Mann aus der Colonia an und antwortete: „Oh doch, mein junger Freund, oh doch. Ich konnte die Ideogramme bereits vor etlichen Jahren entschlüsseln. Auch dabei waren mir die Schriftrollen behilflich.“ Er machte eine wegwerfende Geste: „Wenn man die Grundzüge erst einmal verstanden hat, ist es eigentlich geradezu erschreckend einfach. Zur Zeit der Pharaonen schrieb man so, wie es am besten aussah, damit kommen die regelbesessenen Herren Akademiker aus Europa nicht zurande.“
    Die Gedanken Heinrichs wirbelten wie eine Herde aufgescheuchter Ziegen durcheinander, als er sich klar machte, was Al Hadary ihm da soeben offenbarte. Zwei der größten archæologischen Geheimnisse der Welt aufgeklärt, ohne dass die Fachwelt davon Ahnung hatte. Oder prahlte Al Hadary nur, und all das war blanker Unsinn, Auswüchse des halluzinierenden Geistes eines Irren? Nein, das war unmöglich. Es musste etwas an den Behauptungen des Mannes dran sein. Das zeigte schon ihr Aufenthaltsort, bewiesen die Umstände.
    „Die alten Ægypter besaßen umfassende Kenntnisse der Sternkunde, der Mechanik, der Medizin, das war seit langem bekannt“, fuhr der Kurator fort und nahm seine Wanderung wieder auf. „Was jedoch niemand ahnte ist, dass sie zudem bereits den elektrischen Strom kannten – und ihn zu nutzen wussten. Die Forscher der Pharaonen waren in der Lage, Elektrizität zu erzeugen und diese in einer Art Batterie für spätere Verwendung zu speichern, eine Technik, die in Europa gerade erst erneut entdeckt wurde. Sie wussten über leitende Metalle ebenso Bescheid wie über die Auswirkungen der Elektrizität auf diese.“ Al Hadary deutete in die Richtung, aus der er und Farid auf dem merkwürdigen elektrischen Gefährt gekommen waren: „Jener Mechanismus, der Ihnen Zugang gewährte, der die Wand in den Boden fahren ließ, ist Jahrtausende alt. Ich habe ihn nur erneut mit Strom versorgt, habe die alten Batterien ersetzen lassen.“
    Er nahm wieder Platz und starrte für zwei, drei Lidschläge in seine Tasse. Der Augenblick schien Heinrich günstig für eine Frage, und so wies er umher: „Was hat es mit all den Mumien auf sich, und weshalb sind sie so gut erhalten?“
    Der Mann im Pharaonengewand blickte auf, stellte das Geschirr ab, sah den jungen Gelehrten direkt an und entgegnete: „Sie wissen, dass ich unter anderem in London studiert habe?“
    „Ja, aber was hat …“
    „Sehen Sie, ich widmete mich nicht nur der Archæologie. Man muss sein Blickfeld weit halten, sonst endet man wie manche der Herren Forscher aus Europa, die die eigene Engstirnigkeit mit einem fernen Horizont verwechseln. In London kann man beträchtliche Kenntnisse erwerben. Ich hatte die große Ehre, bei Professor Clockworth-Merenge studieren zu dürfen. Er ist seiner Zeit wahrhaft deutlich voraus.“
    Es dauerte mehrere Herzschläge, bis Heinrich den Namen zuordnen konnte. Clockworth-Merenge verband er nicht mit Angenehmem. Was war es nur? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Shellys! Das durfte nicht wahr sein! Shellys waren ein Frevel wider die Natur und den Schöpfer, wandelnde Leichen, die man mit Hilfe von Elektrik und Mechanik dazu brachte, ein Scheinleben zu führen, die man auf Æsta angeblich als billige Arbeitskräfte einsetzte und, soweit er vernommen hatte, als widerspruchslose und schwer zerstörbare Soldaten nutzen wollte. Shellys waren in seinen Augen eine bizarre, gottlose Versündigung an der Schöpfung.
    Heinrich schaute sich um, sah das Heer der liegenden Mumien, hoffte, dass seine Ahnung falsch war.
    „Ich sehe, Sie verstehen mich. Geben Sie gut acht!“ Al Hadary richtete sich auf und rückte die sechemty zurecht, obwohl das nicht nötig schien. Dann nahm sein Gesicht einen konzentrierten Ausdruck an, und rings um sie herum erhoben sich die bandagierten Leichname …
    „Ja, Herr Jonas!“ Die Stimme des Kurators war laut, klang verzerrt. „Ich habe die alte und die neue Technik miteinander verbunden, habe Vorzeit, Medizin, Shellys und Tesla verschmolzen, habe damit ein Amalgam geschaffen, das mich in die Lage versetzen wird, Ægypten seinen rechtmäßigen Platz in der Welt

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