Eis und Wasser, Wasser und Eis
gesunde Hand in eine Tasche seiner Jeans. Sucht nach einem Ausweg.
»Entschuldige«, sagt er dann. »Ich verstehe nicht, wovon du redest. Und was machst du in meiner Kabine?«
Susanne lacht auf.
»Raffiniert. Sehr schlau. Deine Kabine! Das ist die richtige Einstellung. Angriff ist die beste Verteidigung.«
Er schaut sich um. Schwankt extra auffällig.
»Natürlich meine Kabine! Verdammt, ich bin doch in meiner Kabine.«
Susanne schnalzt mit der Zunge.
»Schon gut! Nicht übertreiben. Sonst macht man alles kaputt.«
Er hört sofort auf zu schwanken. Räuspert sich ein wenig, dreht sich dann zu ihr um. Sieht sie an. Sie erwidert seinen Blick mit höflich-distanziertem Lächeln.
»Was willst du?«, fragt er schließlich.
Susanne antwortet nicht sofort, sie muss erst nachdenken. Einen Atemzug lang schließt sie die Augen, erkennt aber gleich darauf, dass das ein Fehler war, öffnet sie wieder und sieht ihn an.
»Ich würde dich am liebsten schlagen«, sagt sie dann. Es wundert sie selbst, dass ihre Stimme so normal klingt, dass sie vollkommen fest und sicher ist. Sie weint nicht. Die Vokale zittern nicht. Sie redet in normalem Gesprächston mit Robban. »Am liebsten würde ich dich von diesem Schiff stoßen, aufs Eis hinaus. Ich möchte, dass du zermalmt wirst, wie das aufgebrochene Eis zermalmt wird. Ich möchte sehen, wie du erfrierst, von einem Eisbären zerrissen wirst, aufgefressen. Das würde mir gefallen.«
Er ist einen Schritt näher an sie herangetreten. Nimmt Witterung auf wie ein Hund. Glaubt vielleicht, dass sich die Balance zwischen ihnen verändert hätte, stellt sich vor, Susannes plötzlicher Ernst wäre Ausdruck ihrer Schwäche. Susanne steckt eine Hand in die Tasche und packt das Springmesser. Ihre Stimme klingt tiefer und leiser, als sie weiterspricht.
»Ich glaube, du bist der Meinung, du wärst ungerecht behandelt worden«, sagt sie. »Dass Björn dir deinen Ruhm gestohlen hätte, dein Leben als Star. Aber das hat er nicht. Das weißt du. Tief in dir drin weißt du das.«
Robban kommt noch einen Schritt näher. Seine Augen sind wieder schmale Schlitze. Susanne holt das Springmesser aus der Tasche, legt es sich auf die Handfläche.
»Hier, sieh her«, sagt sie. »Das ist Björns Messer. Es funktioniert immer noch. Noch einen Schritt weiter, und ich lasse es aufschnappen.«
Robban starrt einen oder zwei Atemzüge lang das Messer an. Dann tritt er einen Schritt vor. Einen sehr kleinen Schritt. Susanne drückt auf den Knopf, und das Feilblatt springt heraus, sie hält es vor sich, auf Robban gerichtet. Schnell weicht er einen Schritt zurück. Susanne lächelt wieder. Plaudert.
»Was machen sie jetzt eigentlich? Die Jungs von den Typhoons?«
Robban zuckt mit den Schultern.
»Woher soll ich das wissen …«
Susanne lacht auf.
»O doch. Natürlich weißt du das. Ein Junge aus Täby ist doch wohl auf dem Laufenden, was die anderen Jungs aus Täby machen. Erzähl.«
Robban senkt den Kopf. Schaut zu Boden.
»Nur wenn du das Messer wegnimmst, du alte Vettel.«
Susanne muss wieder lachen. Laut.
»Alte Vettel? Das sagst du? Du bist doch vier Jahre älter als ich.«
»Nur drei. Und das ist auch was anderes.«
Susanne ist kurz davor, das Messer sinken zu lassen. Ist es etwas anderes, weil er ein Mann ist? Wie dumm kann man eigentlich sein? Hat es überhaupt einen Sinn, mit so einem verstockten Typen zu reden? Dann fällt ihr ein, warum sie hier steht, und blinzelt. Packt das Springmesser fester. Macht einen Schritt in den Raum hinein und richtet es direkt auf ihn.
»Erzähl! Was machen die anderen Jungs?«
Sein Blick irrt umher, er weicht etwas zurück. Physische Feigheit. Deshalb antwortet er.
»Tommy arbeitet bei einer Plattenfirma. Macht denen die Buchführung. Peo ist in einer Tanzband. Von Bosse und Niclas weiß ich nichts. Das ist die Wahrheit.«
Plötzlich sind irgendwo Stimmen zu hören. Susanne geht einen Schritt zurück, stellt sich erneut auf die Türschwelle. Die Stimmen kommen näher. Amanda und Vincent biegen auf den Flur ein, sie heben beide eine Hand, um Susanne zu grüßen, die ein Stück entfernt steht, ehe sie sich Amandas Tür zuwenden.
»Good night«, ruft Amanda.
»Good night«, antwortet Susanne.
Sie steht schweigend da, bis die beiden in der Kabine verschwunden sind. Sieht Robban an. Er ist in sich zusammengesunken. Lässt den Kopf hängen. Sieht erbärmlich aus.
»Du Ärmster«, sagt Susanne. »Du armer Teufel …«
Er hebt den Kopf, wirft ihr einen
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