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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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er auf der Station aufgenommen worden war, angerufen. Und Anders hatte gleich beim ersten Klingeln geantwortet. Das war ihm zur Gewohnheit geworden. In den letzten Wochen war er jedes Mal zusammengezuckt, sobald es nur klingelte. Doch sie war es nicht. Sie war es nie.
    »Was treibst du?«, wollte Folke wissen.
    Dosensuppen aufwärmen. Aus dem Fenster starren. Überlegen, ob man den Toaster mit in die Badewanne nimmt. Das trieb er so.
    »Warum?«
    »Willst du ins Nördliche Eismeer fahren?«
    »Nein.«
    »Warum denn nicht?«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil ich dir erzählt habe, wie fantastisch es ist, ins Nördliche Eismeer zu fahren.«
    »Ach so. Und warum fährst du nicht selbst?«
    »Mir ist ein kleines Missgeschick dazwischengekommen. Wie man so sagt.«
    »Bist du verletzt?«
    »Kann man wohl sagen. Rechter Schenkelknochen und Ellbogen. Dazu noch gewisse Kniekomplikationen.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Eine Angeltour draußen auf dem Land. Ein glittschiger Felsen, als ich an Land gehen wollte. Aber was soll’s, das Schlimmste ist, dass die Oden am Montag in See sticht …«
    Erst als er sich ins Auto setzte, um ins Krankenhaus von Helsingborg zu fahren, wurde ihm klar, dass Folke es gewusst haben musste. Warum sonst hätte er ausgerechnet Anders angerufen? Es musste doch genügend Leute geben, die sehr viel erpichter darauf waren, als Schiffsarzt auf einer wissenschaftlichen Expedition mitzufahren. Orthopäden und Chirurgen aus Folkes eigenem Krankenhaus beispielsweise. Warum sollte er sich also ausgerechnet einen blöden niedergelassenen Allgemeinarzt aussuchen, wenn er nicht gewusst hätte, dass dieser Hausarzt den ganzen Sommer in seinen vier Wänden herumlief und die Bitterkeit in sich hineinfraß? Natürlich würde kein erfolgreicher Arzt mit intakter Familie sich mit nur drei Tagen Vorbereitungszeit auf eine Polarexpedition aufmachen. Also musste er es gewusst haben. Und wenn Folke es wusste, dann wussten es auch viele andere. Es gab Anzeichen, die darauf hindeuteten, Zeichen, die er hätte sehen und verstehen müssen, die er jedoch nicht wahrgenommen hatte. Hatte nicht die älteste Sprechstundenhilfe in der Praxis letzte Woche eines Morgens den Kopf schräg gelegt und mit honigsüßer Stimme gefragt, wie es ihm eigentlich gehe? Er hatte sie mit einer Mischung aus Verachtung und Verwirrung angestarrt, ohne jedoch wirklich zu verstehen. Und hatte nicht der alte Zementfabrikant, der vom Krebs aufgefressen wurde, Anders nur ein paar Tage später auf den Rücken geklopft und ihm angestrengt fröhlich erklärt, man dürfe niemals aufgeben? Seh’n Sie mich an! Fünfundachtzig Jahre alt und halb tot, aber aufgegeben habe ich immer noch nicht. Und das sollten Sie auch nicht tun, Anders!
    Sie wussten es. Vielleicht hatten sie es die ganze Zeit über gewusst. Vielleicht war er der Einzige in der ganzen Stadt, der keine Ahnung von Evas Verhältnis mit diesem Kerl gehabt hatte. Vielleicht hatten Patienten wie Kollegen ihn schon seit vielen Monaten voller Mitleid und Verachtung angesehen, vielleicht hatten sie schon seit über einem Jahr hinter seinem Rücken geredet und geflüstert. Hat Eva Jansson was mit diesem Bengtsson? Meine Güte!
    Der Gedanke hatte ihn von der Straße abbiegen und auf einen kleinen Kiesweg fahren lassen. Er hatte ein Stück weiter angehalten, genau dort, wo der Weg eine Biegung machte und das Gestrüpp am dichtesten stand, dann war er ausgestiegen, um sich in den Straßengraben zu übergeben. Was ihm nicht gelang, es blieb bei trockenem Würgen. Hinterher hatte er sich eine Weile auf die Motorhaube gelehnt, sich mit seinem ganzen Gewicht auf die gestreckten Arme gestützt, die Augen geschlossen und gespürt, wie die Sonne seinen Rücken wärmte. Er konnte nicht sagen, wie lange er dort gestanden hatte. Vielleicht nur ein paar Minuten. Vielleicht eine halbe Stunde oder mehr. Das war auch unwichtig. Alles, was er wusste: Er hatte lange genug dort gestanden, um einzusehen, dass er endlich aufzuhören musste, sich selbst zu belügen. Er musste sich gezwungenermaßen selbst eingestehen, dass er jeden Tag einige Male seine Selbstbeherrschung verlor, vor Erleichterung tief aufatmete und spürte, wie es vor Erwartung in der Magengrube kribbelte – Ich bin frei! −, bevor die Finsternis ihn wieder überwältigte. Er trauerte, das stimmte schon, aber trauerte er wirklich um Eva? Nicht eher um all die verlorenen Tage? Oder die undurchdringliche Fassade, die er den Bewohnern von Landskrona dreißig

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