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Eis

Eis

Titel: Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kosch
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gutmütige Aufkäufer, aber der Genosse Direktor, den wieder überraschend ein Gruseln ergriff, wand sich aus dem Gedränge und ging zur Tür. Gegenüber, auf dem Wochenmarkt, waren die Tische leer, mit Tischtüchern aus Schnee bedeckt. Ein paar steifgefrorene Planen lagen über einem Haufen gefrorener Krautköpfe. Zwei gelbe Hunde schnüffelten und trieben sich dort ‘mm, wo keine lebendige Menschenseele zu sehen war.
    Er schaute auf die Uhr und wunderte sich, wie lange er schon marschiert war. Die Stadt war ihm früher nicht so groß vorgekommen. Erst gestern war er hier durchgefahren – und seither schien sie sich verbreitert und in die Länge gezogen zu haben. „Sieh mal an!“ sagte er zu sich und ging auf sein Büro zu, das am Ende der Straße schon zu erkennen war.
     
    Schnee klebte an seinen Sohlen, er stieg die Treppe hoch und rutschte dauernd aus, und aus einem verborgenen Fenster, von irgendeiner Decke her, wie die zornige Stimme des Liebengottes aus dem Himmel, meldete sich grob der Pförtner: „He, halt! Wo willst du hin?“ Er ging weiter, ohne sich drum zu kümmern, und hörte, wie jemand schreiend hinter ihm hergerannt kam: „Hörst du mich wohl, du Bauer?“ Er drehte sich um und blieb endlich stehn; der kurzbeinige Pförtner konnte gerade noch anhalten, bevor er ihn umgerannt hätte. „Entschuldigen Sie, Genosse Direktor! Wer hätte gedacht, daß Sie bei diesem Unwetter kommen werden. Ich hab Ihren Wagen nicht gesehn; sonst hätt ich Sie bestimmt erkannt.“ Er sah an dem anderen herab, und der Genosse Generaldirektor folgte diesem Blick und entdeckte, daß seine Hosenbeine mit Schnee bestäubt und in den Socken steckengeblieben waren wie in wollenen Bauernstrümpfen. Es war ihm unangenehm, sich vor dem anderen zu bücken, und er ging auf den Lift zu. Der verwirrte Pförtner verneigte sich nur. „Der Schnee!“ sagte er – als habe er selbst diesen über die Straßen verstreut.
    Auch der Liftboy breitete, sich entschuldigend, die Arme aus und zuckte die Achsel, und auf dem Flur stieß eine von den Sekretärinnen auf den Direktor, wie er, bis zur Erde gebeugt, ganz rot im Gesicht vor Anstrengung seine Hosenbeine aus den Socken zog. Verwirrt sagte auch sie: „Der Schnee!“ Er schwieg, stolz, würdevoll, und machte sich zu seinem Büro auf.
    Ach, diese ersten, angenehmen Stunden in den schönen, hellen Büros! Diese ersten Augenblicke, wenn man den Mantel an den Haken hängt, die Tasche mit Akten und Zeitungen auf den Tisch legt, und der Blick gleitet durch den vertrauten Raum, den die unsichtbaren Hände der Putzfrauen gestern hergerichtet haben. Warm ist es hier, angenehme Glut dringt aus den Heizkörpern, man reibt sich die gefrorenen Hände und wischt mit dem Taschentuch die Brillengläser. Dann rückt man den Sessel zum Schreibtisch, setzt sich, faltet die Zeitungen auseinander und fängt von hinten an zu lesen. Still ist es, nur manchmal geht jemand über den Flur, oder man hört Stimmen aus dem Nebenzimmer oder von der Straße das Martinshorn des Rettungswagens. Zurückgelehnt, die Beine ausgestreckt, so sitzen die Beamten, spürend, wie Wärme ihnen angenehm den Leib hinaufströmt, und mit geschlossenen Augen dösen sie etwas vom unterbrochenen Morgenschlaf nach.
    Er beobachtete den leeren, verlassenen Platz vor dem Hause und das bronzene Reiterstandbild, dem der Schnee eine Fellmütze und neue, weiße Schulterstücke aufgesetzt hatte. Die ausladenden, tiefen Fauteuils schauten ihn aus der Mitte des Raumes dumm, leer und gleichgültig an. Kühl, büromäßig funktional und dienstlich streng funkelte die Schreibtischplatte. Er hatte das Bedürfnis nach etwas, das ihn zu gleicher Zeit bedrängte und beruhigte. Mechanisch drückte er auf den Knopf, die Sekretärin lugte herein, und er bestellte kurz, gewohnheitsgemäß „Den Vorsteher!“ ohne im Grunde zu wissen, was er von diesem wollte. Er schaute an sich hinunter; auf Teppich und Parkett hatten sich kleine Wasserlachen gebildet. Er entschuldigte sich mit dem Gedanken ,Der Schnee’, da begann das Sondertelefon zu klingeln, irgendwie schrill und unangenehm, wie die Rufe des schlechten Gewissens, die sich nicht beschwichtigen und nicht zum Schweigen bringen lassen. Jetzt also hatte wahrhaftig und unaufschiebbar der langweilige, unangenehme und ermüdende Arbeitstag begonnen. Als hätte ein feuchter Lappen über alles Angenehme und Helle drübergewischt; übrig blieb nur die schwarze Schreibtischplatte, auf der ein langer

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