Eisenhand
Cäsar …« Noch ehe ich soweit war, mich auf die hohe Politik zu konzentrieren, hatte ein Haushofmeister, der nach langjähriger Eitelkeit und jüngst geschmorten Zwiebeln stank, mich dem Kaiser gemeldet.
»Sie ziehen aber ein langes Gesicht. Was ist denn los, Falco?«
»Ärger mit dem schwachen Geschlecht«, gestand ich.
Vespasian war einer, der gern herzhaft lacht. Jetzt warf er den Kopf in den Nacken und wieherte los. »Darf ich Ihnen einen Rat geben?«
»Aber gern, Cäsar.« Ich grinste. »Wenigstens ist dieser Schwarm nicht mit meiner Achselbörse abgehauen oder mit meinem besten Freund durchgebrannt …«
Einen Augenblick blieb es auffallend still, als ob dem Kaiser eben eingefallen sei, wer mein jüngster Schwarm war.
Vespasian Augustus war ein vierschrötiger Bourgeois, ein Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde stand. Er war im Durcheinander eines brutalen Bürgerkrieges an die Macht gekommen und hatte dann den Beweis dafür angetreten, daß man auch ohne protzige Vorfahren Talent zum Regieren haben kann. Er und sein ältester Sohn Titus hatten Erfolg – weshalb die Snobs im Senat sie garantiert niemals akzeptieren würden. Allein, Vespasian hatte sich sechzig Jahre lang gegen Widerstände durchgesetzt; nach so langer Zeit erwartet man nicht mehr ohne weiteres Anerkennung – selbst wenn man den Purpur trägt.
»Sie haben es aber nicht eilig, Näheres über Ihren Auftrag zu erfahren, Falco.«
»Ich weiß jetzt schon, daß ich ihn nicht haben will.«
»Das ist ganz normal.« Vespasian räusperte sich und sagte dann zu einem Sklaven: »Hol Canidius herein.« Ich zerbrach mir nicht erst den Kopf darüber, wer dieser Canidius war. Wenn er hier arbeitete, dann war er mir nicht so sympathisch, als daß ich ihn hätte kennenlernen wollen. Der Kaiser winkte mich näher heran. »Was wissen Sie über Germanien?«
Ich machte schon den Mund auf und wollte das Schlagwort: »Chaos!« in die Debatte werfen, dann fiel mir ein, daß Vespasians eigene Anhänger das Chaos heraufbeschworen hatten, und ich klappte den Mund wieder zu.
Geographisch betrachtet ist das, was Rom als Germanien bezeichnet, die Ostflanke Galliens. Vor sechzig Jahren hatte Augustus beschlossen, nicht über die natürliche Grenze des Rheins hinaus vorzurücken – ein Entschluß, den ihm das Quinctilius-Varus-Fiasko abgerungen hatte, jenes tragische Unglück, bei dem drei römische Legionen in einen Hinterhalt gelockt und von den Germanen vernichtet wurden. Augustus hatte das nie verwunden. Vermutlich war es just dieser Thronsaal, in dem er damals, ruhelos auf und ab gehend, ächzte: »Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder …« Auch wenn das Massaker nun schon so lange zurücklag, war mir der Gedanke an eine Reise in dieses Unglücksland äußerst zuwider.
»Na, Falco?«
Es gelang mir, unvoreingenommen zu klingen. »Cäsar, ich weiß, daß Gallien und unsere rheinischen Provinzen im Bürgerkrieg eine entscheidende Rolle gespielt haben.«
Der Aquitanier Vindex, der Legat in Gallien war, hatte mit seiner Revolte Neros Sturz ausgelöst und damit die Lawine ins Rollen gebracht. Der Statthalter von Obergermanien schlug dort den Aufstand zwar nieder, aber als man ihn nach Rom zurückberief, weil Galba unterdessen Ansprüche auf den Thron erhob, da verweigerten ihm seine Truppen den Treueeid. Nach Galbas Tod übernahm Otho in Rom die Regierung, wurde aber von den Rheinlegionen nicht anerkannt, die beschlossen, sich ihren eigenen Kaiser zu küren.
Ihre Wahl fiel auf Vitellius, den Statthalter von Untergermanien. Er galt als brutaler, herumhurender Säufer – nach den Maßstäben der Zeit hatte er also offenkundig das Zeug zum Kaiser. Noch von Judäa aus forderte ihn Vespasian heraus. Um die Legionen in Germanien, die Anhänger seines Rivalen, niederzuzwingen, ermunterte Vespasian einen einheimischen Stammesfürsten, doch die Besatzungstruppen ein bißchen aufzumischen. Das klappte – nur leider zu gut. Zwar eroberte Vespasian die Kaiserwürde, aber der Aufstand in Germanien ließ sich nicht mehr eindämmen.
»Eine Rolle«, fuhr ich fort, »die in der Revolte des Civilis ihren dramatischen Höhepunkt fand, Cäsar.«
Der Alte schmunzelte über meine vorsichtige Neutralität. »Demnach kennen Sie sich aus?«
»Ich lese den Tagesanzeiger. « Ich paßte mich seinem düsteren Ton an. Schließlich ging es hier ja auch um einen wirklich trostlosen Augenblick in der römischen Geschichte.
Das Fiasko in Germanien war komplett gewesen. Rom
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