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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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selbst war damals eine zerrissene Stadt, aber die schockierenden Szenen am Rhein übertrafen sogar unsere Probleme mit Feuersbrünsten, Seuchen und Panik. Der Rebellenführer – ein batavischer Heißsporn mit Namen Civilis – hatte versucht, alle europäischen Stämme zu einem unabhängigen Gallien zu vereinen, eine hoffnungslose Utopie. In dem Chaos, das er heraufbeschwor, wurden eine ganze Reihe römischer Festungen gestürmt und niedergebrannt. Unsere Rheinflotte, die mit einheimischen Ruderknechten bemannt war, ruderte zum Feind über. Vetera, die einzige Garnison, die halbwegs ehrbar standhielt, wurde durch eine unerbittliche Belagerung ausgehungert; als die Besiegten unbewaffnet vor die Tore wankten, stürzte der Feind sich auf die wehrlosen Männer und schlachtete sie buchstäblich ab.
    Während bei den Eingeborenen in ganz Europa die Rebellion tobte, verfiel auch die Moral unserer Truppen zusehends. Allenthalben kam es zu Meutereien. Offiziere, die nur etwas schneidig auftraten, wurden von ihren eigenen Männern angegriffen. Es kursierten abenteuerliche Geschichten über Legionskommandeure, die gesteinigt werden sollten, sich im letzten Moment retten konnten und sich dann, als Sklaven verkleidet, in Mannschaftszelten versteckten. Einer wurde von einem Deserteur ermordet. Zwei ließ Civilis hinrichten. Der Statthalter von Obergermanien wurde vom Krankenlager gezerrt und umgebracht. Ein besonders schauriges Schicksal ereilte den Legaten von Vetera: Den legte Civilis nach der Kapitulation der Festung in Ketten und schickte ihn in den barbarischen Teil Germaniens – als Geschenk für eine einflußreiche Seherin; bis auf den heutigen Tag wußte man nicht, was aus ihm geworden war. Auf dem Höhepunkt des Aufruhrs schließlich verkauften vier unserer rheinischen Legionen ihre Dienste, und wir mußten zusehen, wie römische Soldaten den Barbaren Treue schworen.
    Ja, das klingt phantastisch. Und zu jeder anderen Zeit wäre es auch ganz undenkbar gewesen. Aber im Vierkaiserjahr, als das ganze Reich in Trümmer fiel, während die Thronanwärter sich aneinander die Zähne ausbissen, war dies nur eine besonders grelle Facette im allgemeinen Wahnsinn.
    Ich überlegte düster, wie sich die turbulenten Szenen an der Rheingrenze wohl auf mein langweiliges Leben auswirken würden.
    »Wir haben Germanien im Griff«, erklärte der Kaiser. Aus dem Munde der meisten Politiker wäre das bestenfalls frommer Selbstbetrug gewesen. Nicht so bei ihm. Vespasian war selbst ein guter General, der es verstand, starke Untergebene zu halten. »Annius Gallus und Petilius Cerialis haben eine dramatische Wende erkämpft.« Gallus und Cerialis waren mit neun Legionen ausgesandt worden, um Germanien zu unterwerfen. Das war vermutlich die größte Sondereinheit, die Rom jemals mobilisiert hatte, und der Erfolg stand von vornherein fest, aber als loyaler Staatsbürger wußte ich, wann ich mich beeindruckt zu zeigen hatte. »Zur Belohnung mache ich Cerialis zum Statthalter von Britannien.« Eine schöne Belohnung! Cerialis hatte während des Aufstandes der Britannierfürstin Boudicca auf der Insel gedient und würde also wissen, was für ein schäbiger Preis ihm da angedreht wurde.
    Zum Glück fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, daß der ehrenwerte Petilius Cerialis ein naher Verwandter Vespasians war. Also verkniff ich mir meine geistreiche Erwiderung und fragte statt dessen lammfromm: »Wenn Sie Cerialis entbehren und ihn für höhere Aufgaben einsetzen können, Cäsar, dann ist die Grenzregion also wieder unter Kontrolle?«
    »Bis auf ein paar unerledigte Kleinigkeiten – aber darauf komme ich noch.« Was immer offiziell behauptet wurde, in Wahrheit war das Rheinland bestimmt nach wie vor gefährlich. Jedenfalls derzeit denkbar ungeeignet für eine lauschige Kahnpartie stromabwärts mit einem Weinschiff. »Petilius Cerialis hat sich mit Civilis getroffen und …«
    »Oh ja, davon habe ich gehört!« Ein bühnenreifer Auftritt: Zwei feindliche Feldherrn stehen sich an einem tosenden Flußbett gegenüber und brüllen sich von den Enden einer zerstörten Brücke aus ihre Forderungen zu. Es klang wie eine Szene aus den Ursprüngen der Heldengeschichte Roms, wie man sie den Schulknaben eintrichtert.
    »Seitdem hält sich Civilis ganz ungewöhnlich bedeckt …« Im Gedanken an den Rebellenführer stockte Vespasian auf eine Art, die mich hätte stutzig machen sollen. »Wir hatten gehofft, er würde sich friedlich in die Heimat der Bataver

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