Eisige Naehe
können Sie sorgenfrei leben.«
»Ist das wirklich wahr? War mein Mann wirklich ein Verbrecher?«, fragte sie noch einmal. Die Zweifel standen ihr noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben. »Sie haben mein Wort darauf. Als Zeichen meines Vertrauens lasse ich Sie am Leben. Enttäuschen Sie mich nicht, ich hätte Sie genauso gut auch töten können. Doch ich töte keine unschuldigen Menschen, es sei denn, sie lassen mir keine Wahl. Sie wollen doch leben, oder? Vor allem jetzt, da Sie schwanger sind.« »Ich werde Sie nicht verraten, das verspreche ich. Wenn es stimmt, was Sie mir gesagt haben, bin ich sogar froh, dass er tot ist. Auf einmal ergibt vieles einen Sinn: seine Heimlichtuerei, dass er mir nie einen seiner Geschäftspartner namentlich vorgestellt hat ... Er hat mich oft geschlagen, beinahe täglich, manchmal nur wegen Kleinigkeiten. Erst kurz bevor Sie gekommen sind, hat er mich wieder geohrfeigt, weil ich etwas gesagt habe, was ich besser für mich behalten hätte. Er verlangte bedingungslosen Gehorsam. Ich solle immer daran denken, dass er mich aus dem dreckigen Manaus ins saubere Deutschland geholt hat. Ich sollte ihm jeden Tag dankbar sein für das, was er für mich getan hat.« »Wie haben Sie ihn kennengelernt?« »Ich habe in einer Bar in Manaus gearbeitet ... Kennen Sie Manaus?«
»Ich war schon dort, ja.«
»Er kam an mehreren Tagen hintereinander, dann lud er mich zum Essen ein und fragte mich, ob ich nicht Lust habe, in Deutschland zu leben ...« Sie schloss für einen Moment die Augen. »Deutschland, ich habe immer von Deutschland und den USA geträumt. Eines Tages wollte ich weg aus Manaus, auch wenn ich meine große Familie verlassen musste. Aber ich war jung ...« »Das sind Sie immer noch. Sie können Ihre Familie jetzt so oft sehen, wie Sie möchten, Geld genug haben Sie.« »Ja, das stimmt wohl. Er war kein guter Mensch, er hat mich zu Sachen gezwungen, die ich nie tun wollte. Er war brutal. Nicht nur körperlich, auch mit Worten.« »Ich weiß. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ach ja, tun Sie mir und sich einen Gefallen, gehen Sie noch nicht in die Bibliothek, es ist kein schöner Anblick. Ich werde gleich verschwinden, doch vorher möchte ich noch einen Blick auf den Überwachungsmonitor werfen. Würden Sie mir zeigen, wo er sich befindet?«
»Ja. Haben Sie noch mehr Menschen umgebracht?« »Ja. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen. Frau Albertz, machen Sie sich keine Gedanken darüber, fangen Sie an zu leben, Sie sind noch so jung.«
Roberta Albertz führte Schmidt zu einem kleinen Raum, in dem sich zwei große Plasmamonitore befanden, die mit den Kameras am Haus und um das Grundstück verbunden waren und jeden Zentimeter bis zur anderen Straßenseite zeigten. Es war nichts Ungewöhnliches zu erkennen, die Straße lag wie ausgestorben. »Wird alles aufgezeichnet, was wir auf den Monitoren sehen?« »Ja.«
»Dann geben Sie mir bitte die DVDs und legen Sie keine neuen ein, die Polizei soll denken, der Täter hat sie mitgenommen, was im Prinzip ja auch stimmt«, sagte Schmidt lächelnd.
Roberta Albertz entnahm aus neun kleinen Aufnahmegeräten die DVDs und reichte sie Schmidt. »Danke. Machen Sie's gut, Sie haben nichts zu befürchten, wenn Sie sich an meine Anweisungen halten. Bitte, rufen Sie die Polizei nicht vor einundzwanzig Uhr an -lieber noch eine halbe Stunde später. Ja, es wäre besser, wenn Sie erst so gegen halb zehn anrufen würden.« »Und warum?«
»Das hat einen bestimmten Grund, der Sie nicht zu interessieren braucht. Ich verlasse mich auf Sie.« Er ging nach draußen, trat durch das Tor, blickte unauffällig nach links und nach rechts, kein Mensch und kein Auto weit und breit. Er ging gemächlichen Schrittes die Straße entlang, ein dunkelroter BMW bog um die Kurve. Er erkannte nach kurzem Hinsehen Henning und Santos und fragte sich, was sie hier machten. Egal, dachte er, ganz egal. Nur noch eine Sache, danach würde er sich zur Ruhe setzen. Er hatte genug von diesem rastlosen Leben, ein Leben, das mit so viel Tod verbunden war. Er wollte nur noch Ruhe, Ruhe, Ruhe.
DONNERSTAG, 16.10 UHR
Henning und Santos parkten in der Bismarckallee, sieben Häuser lagen in ihrem Blickfeld, und in einem davon wohnte Albertz.
»Ist schon komisch, was? Erst trifft er sich mit uns in Bruhns' Haus in Schönberg, jetzt will er, dass wir zu Klein nach Mönkeberg kommen. Der hat ein Rad ab, wenn du mich fragst. Oder er hat einen extrem schrägen Humor. Lauter Todeshäuser«, sagte
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