Eisige Naehe
gefährlich gewesen. Sie hätte ihn identifizieren können.
Eine Flasche Champagner und zwei Gläser standen auf dem Tisch, leise Musik spielte. An all das erinnerte sich Hans Schmidt, als wäre es gestern gewesen. Im Gesicht des Mannes hatte blanke Todesangst gestanden, er stammelte wirres Zeug, das Schmidt nicht interessierte. Er kickte die Tür mit dem Absatz hinter sich zu, runzelte die Stirn und drückte zweimal ab. Der erste Schuss traf den Mann in die Brust, der zweite in den Kopf, so hatte es Schmidt in einem Mafiathriller gesehen. Das Mädchen hielt sich ein Kissen vor das Gesicht, die Augen weit aufgerissen, kein Laut kam über ihre Lippen, doch es dauerte nur wenige Sekunden, bis auch ihre Augen brachen.
Was Sarah erzählt hatte, war die Wahrheit gewesen: ein alternder Mann, der es am liebsten mit jungen Mädchen trieb. Ein Mann, der das Geld hatte, sich alles leisten zu können, kleine Mädchen inklusive. Und doch war Schmidt selbstverständlich davon ausgegangen, Schumann alleine anzutreffen.
Es war ein einfacher Job gewesen, Schmidt hatte auf die beiden Toten herabgesehen, als wären sie Puppen, hatte die Hütte verlassen und war gemäßigten Schrittes zu seinem Wagen gegangen. Wieder war er niemandem begegnet. Auf der Fahrt zurück nach Frankfurt hatte er überlegt, die Waffe wegzuwerfen, aber dann doch beschlossen, sie zu behalten. Ein Souvenir vom ersten Mal, sozusagen. Die Waffe besaß er noch immer, sie war auch mehrfach benutzt worden, zuletzt vor einem halben Jahr. Später im Hotel ließ er die Tat Revue passieren. Dabei dachte er mehr und mehr über das Mädchen nach, dessen Leben beendet war, bevor es richtig begonnen hatte. Für eine kurze Zeit hatte er ein schlechtes Gewissen, auch wenn er davon überzeugt war, dass sie so oder so bald gestorben wäre, denn die Zwangsprostituierten, vor allem junge Mädchen, überlebten selten die ersten drei Jahre, so hatte er einmal gelesen. Entweder starben sie an einer Überdosis Heroin oder an einer Kombination aus Drogen und Alkohol oder sie wurden umgebracht. Dennoch beschloss er, nie wieder Kinder oder Jugendliche zu töten, und bis zum heutigen Tag hatte er dieses Versprechen gehalten.
Wochenlang berichteten die Zeitungen über den heimtückischen Mord an dem angesehenen Immobilienmogul Manfred Schumann und einer jungen Frau, deren Namen man nie herausfand. Die Ermittler gingen davon aus, dass es sich um eine junge Frau aus Osteuropa handelte, die vermutlich mit falschen Versprechungen in den Westen gelockt worden war, wie so viele Mädchen und Frauen, die trotz des Eisernen Vorhangs in immer größeren Scharen in das vermeintliche Paradies Deutschland kamen. Das Alter der jungen Frau wurde stets mit achtzehn bis zwanzig angegeben, eine Lüge, denn Schmidt hatte das Mädchen gesehen. Je länger die Ermittlungen andauerten, desto weiter führte die Spur in den Osten. Es stellte sich heraus, dass Schumann dubiose Geschäfte in Polen, der CSSR, der Sowjetunion und den damals noch zur Sowjetunion zählenden baltischen Staaten getätigt und vermutlich auch mit Menschenhändlern in Kontakt gestanden hatte. Für einige Wochen war sein bislang guter Name mit einem Makel befleckt, doch schon bald wurde das Mädchen aus der Berichterstattung gestrichen, als hätte es nie existiert. Zwanzig Jahre später wurden ein Hochhaus und eine kleine Straße nach Schumann benannt, der sich so sehr um Frankfurt verdient gemacht hatte. Vom Täter fehlte weiter jede Spur. Schließlich ging man davon aus, dass er von einem Rivalen aus der Bau- oder Immobilienbranche beseitigt worden sein könnte, doch es fanden sich keinerlei Beweise.
Natürlich war seine Frau unter die Lupe genommen worden, aber sie konnte ein einwandfreies Alibi vorweisen und gab offen zu, dass ihre Ehe nicht gerade vorbildlich gewesen war, wobei sie ihren Mann immer geliebt habe, auch wenn sie von den unzähligen Affären ihres Mannes wusste - wie so viele in ihrem Umfeld. Dank dieser Offenheit gegenüber der Polizei und Öffentlichkeit war sie schnell aus dem Visier der Fahnder verschwunden. Drei Tage nach dem Mord erhielt Schmidt das restliche Geld und schon kurz darauf den nächsten Auftrag. Vermittelt von der Frau, die, wie die Zeitungen vermeldeten, auf so sinnlose und tragische Weise ihren geliebten Mann verloren hatte.
Er war zweiundzwanzig gewesen, als er seinen ersten Auftragsmord beging, und bis dahin hatte er nicht einmal im Traum daran gedacht, jemals einem Menschen physisches Leid
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