Eisige Naehe
besprachen den genauen Ablauf: Wenn sie ihn in den nächsten Tagen kontaktieren würde, müsse er umgehend nach Frankfurt kommen, wo er in einem First-Class-Hotel unterkommen würde. In einem Schließfach im Hauptbahnhof wäre eine Waffe hinterlegt, und er bekäme den Schlüssel per Kurier in sein Hotel geliefert.
Sie hatte an alles gedacht. Sie selbst würde sich in diesen Tagen bei einer Freundin im Ausland aufhalten und erst zurückkehren, sobald sie vom Tod ihres Mannes durch die Polizei oder jemanden aus der Familie erfahren würde. Den Rest des Geldes würde er ein paar Tage später wieder in einem Schließfach finden, der Schlüssel dazu würde im Hotel abgegeben werden. Zweihunderttausend Mark, ein Vermögen für Hans Schmidt, der bis dahin neben seinem Studium der Germanistik und Romanistik mit Ach und Krach über die Runden gekommen war. Zweihunderttausend Mark für einen Mord an einem untreuen Ehemann. Er hatte so etwas schon im Kino gesehen, aber dass er selbst eines Tages einen Auftragsmord ausführen würde, hätte er bis zu jenem Abend des 12. Oktober 1984 niemals für möglich gehalten.
In seiner damals noch vorhandenen Naivität hatte er Sarah gefragt, wann er denn die Stelle als Gärtner antreten solle, worauf sie lachend geantwortet hatte: »Glaubst du ernsthaft, ich würde mich wegen eines Gärtners auf den langen Weg nach Kiel machen? Bei uns im Rhein-Main-Gebiet gibt es so viele Gärtner, da brauche ich keinen von hier oben. Ich bin nur aus einem einzigen Grund gekommen, und den habe ich dir genannt. Mich hat deine Annonce angesprochen, ich wusste sofort, du bist der richtige Mann für diese Aufgabe. Bis jetzt hast du mich keines Besseren belehrt. Oder sollte ich mich doch getäuscht haben?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bin der Richtige«, hatte er geantwortet.
»Gut. Es wird dein Schaden nicht sein.«
Nur drei Tage später rief Sarah Schumann ihn an und teilte ihm mit, der Zeitpunkt sei gekommen. Er fuhr nach Frankfurt und checkte in einem First-Class-Hotel ein, wo ein Umschlag mit zweitausend Mark für ihn hinterlegt worden war. Die Luxussuite im Herzen von Frankfurt war für eine Woche im Voraus bezahlt. Zwei Tage verbrachte er fast ausschließlich in seinem Zimmer und wartete, bis Sarah endlich anrief und ihm mitteilte, dass ihr Mann den nächsten Tag in seiner Jagdhütte im Taunus verbringe. Angeblich, um sich vom Stress der vergangenen Wochen zu erholen. Noch am selben Abend wurde ihm von einem Kurier ein wattierter Umschlag mit einer Karte, auf der die Hütte eingezeichnet war, sowie dem Schlüssel für das Bahnhofsschließfach übergeben. Dort fand er eine Sporttasche vor, in der sich eine großkalibrige Pistole mit Schalldämpfer und die versprochene Anzahlung von hunderttausend Mark befanden. Hans Schmidt mietete sich einen Wagen und fuhr zu einem Waldparkplatz, der etwa fünfhundert Meter von der Jagdhütte entfernt war. Neben der Hütte parkte ein Range Rover, wie es ihm von Sarah Schumann beschrieben worden war. Schmidt ging durch das angelehnte Tor, nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass niemand ihn beobachtete. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Er klopfte mehrfach gegen die Tür, bis ein hochgewachsener, bulliger Mann in Unterhemd und Shorts öffnete - unverkennbar Sarahs Gatte. Hans Schmidt behauptete, er habe sich verlaufen und wisse nicht mehr, wie er zur Hauptstraße käme. Der mürrische Hausherr wollte ihn so schnell wie möglich loswerden, deutete mit der Hand Richtung Westen und murmelte ein paar kaum verständliche Worte.
Dann ging alles sehr schnell, Schumann bekam kaum mit, wie mit einem Mal die große Pistole mit dem Schalldämpfer gegen seine Brust gedrückt und er in die Hütte gedrängt wurde, wie Schmidt einen Finger auf den Mund legte und meinte, dass er keinen Mucks von sich geben sollte. Dann erst sah er das Mädchen, das splitternackt auf dem Bett saß und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ein sehr junges und sehr hübsches Mädchen, eine sich mitten in der Pubertät befindende Schönheit mit slawischen Gesichtszügen. Blond, blaue Augen und eine Figur, die erst in ein oder zwei Jahren ausgereift wäre. Vielleicht dreizehn, vielleicht auch schon vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Ein Mädchen, das Sarah Schumann nicht erwähnt hatte, von dem sie vermutlich nicht einmal etwas wusste. Er würde später mit ihr darüber sprechen. Eines aber stand fest: Er konnte, er durfte das Mädchen nicht am Leben lassen, es wäre zu
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