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Eisiger Schatten

Eisiger Schatten

Titel: Eisiger Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Maul geöffnet, und man sah in ihren Rachen Eismenschen. Sie wollten sich offenbar davon überzeugen, dass Kemroor tatsächlich ihr Land verließ. Vielleicht würden sie ihn sogar bis über das gefrorene Meer folgen, um sicherzugehen, dass er ans andere Ende des Nordeises zurückkehrte, von wo Jarandil ihn hergerufen hatte.
    Da der Flug für Rarax sehr mühsam war, legte man in der Eisfestung eine Rast ein. Auf dem weiteren Weg Richtung Meerland sahen die Elben dann immer wieder Gruppen von Eisdrachenläufern, die dem Eisdrachen nach Norden folgten. Manche machten einen etwas verwirrten Eindruck und schienen nicht so recht zu wissen, wohin sie sich wenden sollten.
    Als die Elben schließlich die Zinnen von Meergond am Horizont auftauchen sahen, erkannten sie, dass sich das Eis bereits ein ganzes Stück weit zurückgezogen hatte. Die giftige Magie, die Jarandil ihm eingegeben hatte, hatte ihre Wirkung verloren und verflüchtigte sich.
    In der Stadt selbst herrschte große Aufregung. Die Bewohner hatten sich reisefertig gemacht und waren bereit gewesen, zu den Anfurten aufzubrechen, von wo aus Schiffe sie nach Meerhaven bringen sollten. Aber das war nicht mehr nötig. Zwischen der Stadtmauer und der Eisgrenze lagen inzwischen fast zweihundert Schritte, und das Eis zog sich immer weiter zurück.
    Daron ließ Rarax im inneren Burghof landen.
    Ein paar Tage blieben er, Sarwen und Thamandor in Meergond. Daron nutzte die Zeit, um sich ausführlich mit Emwén zu unterhalten, und schließlich verabschiedete er sich sehr herzlich von ihr. „Es wäre schön, dich irgendwann in Elbenhaven begrüßen zu können“, sagte er zum Schluss zu ihr.
    „Ich werde dich gewiss besuchen“, versprach sie. „Aber dem Thronfolger steht es sicherlich auch gut an, ab und zu in den äußeren Herzogtümern nach dem Rechten zu sehen.“
    Daron lächelte. „Dann hoffe ich, dass mein Großvater mich mit dieser Aufgabe betraut!“
    Es war Thamandor gewesen, der auf eine schnelle Rückkehr nach Elbenhaven drängte. Er befürchtete, dass während seiner Abwesenheit in seiner Werkstatt das Chaos ausgebrochen war. Außerdem erwartete König Keandir, dass seine Enkel ausführlich von ihrer Reise berichteten. Und so flogen sie auf Rarax' Rücken Richtung Elbenhaven.
    Lirandil und Sandrilas zogen es hingegen vor, die Rückreise im Sattel gewöhnlicher Elbenpferde anzutreten.
    König Keandir war froh, seine Enkel wieder wohlbehalten in die Arme schließen zu können. Thamandor hatten sie zuvor auf dem Elbenturm abgesetzt.
     
     
    In den nächsten Jahren wuchsen Daron und Sarwen so schnell heran, wie es niemand mehr für möglich gehalten hätte. Ob es von selbst geschah oder ob es ihrem Willen entsprach, ist nicht überliefert. Aber gewiss ist, dass beide erwachsen waren, noch ehe Herzog Branagorn endgültig nach Estorien, ins Reich der Geister, aufbrach.
    Zu diesem Zeitpunkt wandte sich Daron mit einer Bitte an seinen Großvater: „Bevor ich König werde, möchte ich eine Reise unternehmen. Ich will als gewöhnlicher Elb durch die bekannten und weniger bekannten Länder ziehen, um so viel wie möglich von der Welt zu erfahren. Rarax wird mich nicht begleiten, denn ich werde auf einem unauffälligen Pferd reisen. Wenn ich dereinst König bin, wird das nicht mehr möglich sein. Sobald ich zurückkehre, bin ich bereit, mich ganz meinen Pflichten als Thronfolger zu widmen.“
    König Keandir war damit einverstanden.
    Als Daron von seinen Reisen zurückkehrte, erlernte er an der Seite eines Großvaters alles, was er wissen musste, um das Reich der Elben zu regieren. Noch vor seinem dreihundertsten Jahr wurde er in Elbenhaven zum König gekrönt, und Keandir konnte endlich nach Estorien aufbrechen, ins Reich der guten Totengeister der Elben. Man sagte später, der Geist der verstorbenen Königin Ruwen habe bereits an der Grenze auf ihn gewartet.
    Sarwen war in der Zwischenzeit von Brass Shelian zu einer vollwertigen Schamanin ausgebildet worden, und das innerhalb eines Jahrhunderts, was ungewöhnlich schnell und ein weiterer Beweis für Sarwens großes magisches Talent war. Da Brass Shelian schon seit langem amtsmüde war und nicht länger das Oberhaupt des Schamanenordens sein wollte, wählte man Sarwen zu seiner Nachfolgerin.
    Viel Gutes wurde später über den gerechten König Daron und die weise Schamanin Sarwen berichtet.
     
     
     

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