Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
Gesicht, hebt abermals die Hände. Doch dieses Mal demonstrativ.
»Ich sagte, steh auf, Schlampe!«
Kartan rappelt sich hoch. Lehnt sich an die Kellerwand. Das blutdurchtränkte Papiertaschentuch noch immer fest um die verletzte Hand gewickelt, die Pistolenmündung im Blick.
»Siehst du, mein weißer Ritter? Siehst du, wie hilflos du bist?« In der Stimme schwingt scheinbar ein Hauch von echtem Mitgefühl mit. »Du kannst nichts tun. Bist gar nicht existent. Denn ich allein führe hier die Regie. Lenke eure Schritte. Bestimme, was ihr als Nächstes tut. Und ihr – gehorcht …«
»Dem Mann mit der Waffe in der Hand, na prima!«
»So ist es, weißer Ritter. Das ist er, der reale Lauf der Dinge. Also stirb. Oder verrate dich selbst. Und ich werde dich richten.«
Devcon beginnt zu lächeln. Verzweifelt zu lächeln. »Tot oder tot. Eine tolle Alternative.«
Achselzucken. »Ich habe das Universum so nicht gemacht. Aber ich habe es verstanden . Verstanden, dass das Gute niemals siegen kann. Das war die Botschaft in meinen Filmen: Vernichtung. Auf beiden Seiten der Macht. Dabei hätte es jedes Mal anders ausgehen können. Doch das Ergebnis, es war stets gleich. Ein getöteter Freund. Und zwei tote Kinder. Ihre Kinder.« Die fahle Hand des Mannes, sie deutet auf die am Boden liegende Frau. In deren weit aufgerissenen Augen völliges Unverständnis steht. »Anonym bestattet im Namen der für immer verlorenen Unschuld. Ausgelöscht aus dem Kreislauf falscher Erinnerungen. Felix und Jessica. Fort. Für alle Zeit.«
Eleonore Jonathan schließt die Augen, schluchzt durch den Knebel hindurch laut auf.
Und Devcon meint, eiskalte Klauen auf seinem Körper zu spüren, verursacht von einer Erkenntnis, die er nun nicht mehr unterdrücken kann: Mit dem, was er unter Vernunft versteht,kann er dieses makabere Spiel nur haushoch verlieren. Null Chance. Es ist, als würde er in einem Flugzeug festsitzen, dessen wahnsinniger Pilot sie mitten in ein mörderisches Unwetter steuert, alle Passagiere bewegungsstarr an Bord gepfercht wie Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank. Devcon versucht, den Kloß in seiner Kehle runterzuschlucken. Er schaut seinen Feind mit festem Blick an. »Doch das Mädchen, das sollten wir finden …«
»Mittel zum Zweck. Damit du mich findest.« Die Stimme des Mannes, sie vibriert nun vor Leidenschaft.
Devcon nickt. Studiert angestrengt die glatten Gesichtszüge, sucht nach irgendeiner Regung, die ihm zeigt, dass das Ende trotz allem noch immer offen ist. Aber da ist – nichts. »Warum ich.« Er gibt sich Mühe, so sachlich wie möglich zu klingen. »Bitte sagen Sie mir nur: Warum ich? Wir sind uns bisher doch nie begegnet.«
»Nein.« Die Stimme ist jetzt nur noch ein Zischen. »Nein, wir sind uns bisher nie begegnet. Doch es kam der Tag, an dem du Susanne erschossen hast. Abgeknallt hast. Wie ein Stück Vieh.«
»Susanne?« Devcons Brauen wölben sich steil nach oben. Er hebt wieder beide Hände, die Innenflächen nach vorn geneigt. »Ich schwöre, ich habe keine Susanne erschossen.«
»Erspar’s. Mir!« Die Stimme klirrt vor Kälte.
Devcon steht bewegungslos im Raum. Kartan, noch immer rücklings an die Kellerwand gestützt, hört auf zu atmen. Eleonore Jonathan hat die Augen wieder fest geschlossen.
»Sie fehlt mir.« Mit der Pistole zielt er weiter auf Kartans Kopf, doch in der Miene des bleichen Mannes spiegelt sich erstmals so etwas wie Zartheit. Verletzlichkeit. »Sie fehlt mir so sehr. Wir waren ja beide allein. Allein und hilflos im perversen Gedankenlabyrinth der weiß bekittelten Ratten, die unser Gemüt zerfraßen. Das verband uns vom ersten Moment unserer Begegnung an.«
»Verstehe ich das richtig, Sie waren in einer therapeutischen Klinik?«
Die Zartheit verschwindet aus dem glatten Gesicht. Wie ausgeknipst. Und die Augen mit den grünen Kontaktlinsen, sie funkeln Devcon kalt an. »Therapeutische Klinik? Nun, ich nenne das Vergewaltigungsheim. Mentaler Beischlaf mit Schutzbefohlenen. Brutalst mögliche Menschendressur, unterstützt von einem den Geist zersetzenden Pillengemisch und sonstigen Folterwerkzeugen. An sich das gleiche Prinzip, mit dem den meisten von uns erfolgreich die lähmende Droge des Gehorsams injiziert wird und uns so zu still vor uns hin vegetierendem Menschenaas macht. Dort nur eben mit zusätzlichen biochemischen und elektronischen Hilfsmitteln.« Die grünen Augen funkeln nicht nur kalt, sondern auch kristallklar. Sie sind die Fenster eines Geistes, der sich
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