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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Muther
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Eigenschaften in sich vereint, die man sich nur vorstellen konnte. Mia musste immer wieder innerlich mit dem Kopf schütteln. So gut konnte ein Mensch nicht sein. Das sagte ihr ihre Erfahrung. Und selbst wenn es sich um ihre Eltern handelte. Alles, was Doran Zi ihr da erzählte, konnte einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Aber vermutlich verklärten Zeit und Freundschaft die Sicht und tauchten Personen und Erlebnisse in die angenehmsten Farben. Dennoch kam Mia zu dem Schluss, dass ihre Eltern wohl ganz besondere Menschen gewesen sein mussten. Aufstrebende Adelige. Das ganz sicher. Aber auch Menschen, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen; die sich um andere kümmerten und ihnen halfen. Gerade ihre Mutter schien eine ausgeprägte soziale Ader zu haben. ‚Komisch‘, dachte Mia, ‚davon habe ich wohl nicht sonderlich viel abbekommen.‘
     
    Auch ihr Vater schien sehr beliebt gewesen zu sein. Sowohl bei der einfachen Bevölkerung als auch in Adelskreisen. Natürlich weckte sein rasanter Aufstieg hier und da auch Neid. Und offenbar gab es Kräfte, die dann zu solch furchtbarer Tat im Stande waren. Mias Magen krampfte sich zusammen bei diesem Gedanken. Rachegelüste und –phantasien kamen in ihr hoch. Doran Zi beschrieb seinen besten Freund, wie er Wuan Ki Lun gerne nannte, als einen Menschen, der die Welt verbessern wollte. Er wollte seine Macht nutzen, damit es den Menschen besser ging. Und dazu griff er auch auf jenes ominöse Artefakt zurück. Es half ihm dabei, Gutes zu tun. Neugier stieg in Mia auf. Sie hoffte inständig darauf, den Blutstein möglichst bald in ihren eigenen Händen halten zu dürfen und zu spüren, welche Macht es in ihr wecken konnte. Machte es sie vielleicht auch zu einem besseren Menschen – half ihr dabei, die dunkle Seite, die sie manchmal in sich spürte, beiseite zu schieben? Irgendwie eine reizvolle Vorstellung. Auf der anderen Seite: Wollte sie das überhaupt? Wollte sie ein anderer, ein besserer Mensch werden? Ihr Gefühlsleben war gespalten. Als würden da zwei unterschiedliche Seiten in ihr in einem permanenten Widerstreit liegen. Und immer wieder fragte sie sich, wo denn diese dunkle Seite in ihr bloß herkommen konnte. Bei solchen perfekten Eltern?
     

Kapitel 47
     
     
    Am Morgen des dritten Tages ihrer Reise verließen sie die östliche Handelsroute. Bis zum Meer war es jetzt nicht mehr weit. Man konnte es schon ein wenig riechen und auch den frischen Wind spüren, den es mit sich brachte. Die Straße, die hier nach Süden abzweigte, wurde offenkundig selten benutzt. Doran Zi wusste zu berichten, dass sie vor drei Jahrzehnten gebaut worden war, als es den Adel in die südlich-östliche Region zog. Damals wurde sie anscheinend stark frequentiert. Doch mittlerweile reiste kaum jemand auf ihr. Die Steine waren zum Teil schon reichlich vom Strauchwerk überwuchert. Baumwurzeln hatten sie hochgedrückt, durchbrochen und gesprengt. Gestrüpp und Wildkräuter wuchsen in den Ritzen. An einigen Stellen musste man sehr genau hinschauen, um erkennen zu können, dass hier einmal eine Straße entlang geführt hatte. Instinktiv drosselte Mia das Tempo ihres Pferdes. Sie wollte nicht, dass es an einer Wurzel oder einem hochstehenden Stein hängen blieb und stürzte. Zu Fuß würde die Reise um einiges länger dauern und sicher auch beschwerlicher sein. Und darauf hatte sie absolut keine Lust.
     
    Je weiter sie auf der verfallenen Straße vorankamen, desto stiller wurde es um sie herum. Das stetige Lärmen und Rumoren der Handelsstraße lag jetzt weit hinter ihnen. Nur noch das Singen der Vögel und vereinzelte andere Tierlaute begleiteten sie auf ihrer Reise. Einzig der Erzählfluss Doran Zis wurde dadurch nicht gebremst. Im Gegenteil, er redete fast ohne Pause. Und immer wieder kam er auf das Artefakt zu sprechen. Es schien ihn zu faszinieren und völlig in seinen Bann zu ziehen. ‚Als wäre er davon besessen!‘, dachte Mia. Aber was hatte er davon? Was trieb ihn an? Mia konnte es nicht wirklich greifen, aber sie hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Ganz so, als ob sie irgendetwas übersehen hatte. ‚Vermutlich nur die Aufregung.‘, beruhigte sie sich selbst und wischte ihre Bedenken beiseite.
     
    Am frühen Nachmittag entdeckte Mia in einiger Entfernung Rauch. Irgendetwas qualmte da, und zwar mehr als nur ein kleines Lagerfeuer. Konzentriert spähte sie in die Richtung des aufsteigenden Rauches. Doch sie konnte nichts entdecken. Die hügelige Landschaft

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