Eiskalte Hand
nebeneinander her.
Zwei Stunden später erreichten sie ein Waldstück. Doran Zi zügelte sein Pferd und holte die Karte aus der Satteltasche. „Das Anwesen müsste in diesem Wald liegen.“, sagte er nach einem intensiven Blick. Mia nickte nur. Das deckte sich mit ihren Berechnungen. „Dann mal los!“, rief sie ihrem Begleiter zu und gab dem Pferd die Sporen. Doch weit kamen sie nicht. Der Wald entpuppte sich als ausgesprochen dicht. Baum stand an Baum, das Unterholz machte den Pferden das Vorankommen nahezu unmöglich. Wenn hier mal ein Weg hineingeführt hatte, dann war nun nichts mehr davon zu sehen. Kein Waldarbeiter hatte in den letzten Jahren das Unterholz im Zaum gehalten oder die Wege gepflegt. Und so hatte die Natur sich im Laufe der Zeit alles zurückgeholt und schien es mit hölzernen Klauen festzuhalten. Entnervt stiegen Mia und Doran Zi von ihren Reittieren und banden sie an einem Baum fest. Sie mussten wohl oder übel zu Fuß weitermarschieren. Fragte sich nur, wo es denn langgehen sollte.
Mia verließ sich – wie so oft – auf ihr Bauchgefühl und stapfte einfach drauf los. Doran Zi blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Unermüdlich hielt die junge Frau Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen, die auf einen früheren Weg oder gar das Anwesen hindeuten könnten. Doch zunächst konnte sie nichts finden. Mit einer Mischung aus Sorge und Ehrfurcht schaute sie die gewaltigen Bäume empor. Majestätisch ragten sie auf und hielten das Sonnenlicht weitgehend fern. Nur wenige Strahlen erreichten den Boden, der kontinuierlich in ein grünliches Halbdunkel getaucht wurde.
Mühsam bahnten sie sich ihren Weg durch das Unterholz. Immer wieder mussten sie sich den Weg mit ihren Schwertern freihacken. So kamen sie nur äußerst langsam voran. Zwischendurch blieb Mia ein ums andere Mal stehen und nahm die Umgebung unter die Lupe. Manchmal horchte sie auch ganz bewusst in den Wald hinein. Es gab auffällig wenig Geräusche. Das war ungewöhnlich; denn solch ein dichter Wald erschien ihr als perfekter Unterschlupf für allerlei Tiere. Doch bis jetzt hatten sie nicht eines zu Gesicht bekommen – von ein paar bunten Vögeln und Insekten mal abgesehen.
Dann entdeckte sie doch eine Spur. Mehrere abgeknickte Äste zeigten ihr an, dass irgendjemand – oder irgendetwas – hier langekommen war. Eine sorgfältige Untersuchung der Bruchstellen ergab, dass das schon eine Weile her sein musste. Immerhin ein erstes Anzeichen. Besser als nichts. Mia ging entschlossen voran. Plötzlich vernahm sie ein Geräusch. Das leichte Knacken brechender Äste drang an ihr Ohr. Schnell ließ sie ihre Blicke schweifen, um herauszubekommen, wo die Geräusche herkamen. Da knackte es wieder. Hinter einem brusthohen Busch huschte ein Schatten. Die junge Frau spannte ihre Muskeln an und glitt leichtfüßig in diese Richtung. Sekunden später hatte sie den Busch erreicht, schob die Äste auseinander und spähte hindurch. Dahinter stand ein Mensch, der sich gerade nach vorne beugte und Beeren von einem Strauch pflückte. Mia konnte nicht viel von ihm erkennen. Er war in Felle gehüllt, die vor Dreck nur so erstarrten. Ein unangenehmer Geruch hüllte ihn wie eine Wolke ein und drang selbst bis zu Mias Nase vor. ‚Boah, was stinkt der!‘ Vorsichtig räusperte sich die junge Frau. Die Gestalt zuckte zusammen, fuhr herum und schrie laut auf. Jetzt erkannte Mia, dass es sich um einen Mann handeln musste. Ein dichter und ebenfalls schmutziger Bart zierte sein Gesicht, das von oben her durch lange fettige Haare umrahmt wurde. Panik stand in den Augen des Mannes. „Keine Angst!“, sagte Mia sanft und hob die Hände ein Stück empor, „Ich tue dir nichts.“
Doch noch immer gingen seine Blicke hektisch hin und her. Seine Finger zitterten leicht. Nun kam auch Doran Zi hinzu und stellte sich neben Mia. „Guten Tag!“, sprach er den Fremden mit seiner sanften Stimme an. „Mein Name ist Doran Zi. Und mit wem habe ich die Ehre?“ Als der Mann die Worte des alten Mannes hörte, wurde er allmählich ein wenig ruhiger. Das Zittern hörte auf, die Augen richteten sich direkt auf Doran Zi, und auch sein Atem ging jetzt gleichmäßiger. Ansonsten herrschte Schweigen. Für Mia war das nur schwer auszuhalten, doch Doran Zi blieb derweil ganz gelassen und schaute den Fremden geduldig und freundlich an. Dann endlich atmete dieser tief durch und begann zu reden: „Mein Name ist Fu Dang, und ich lebe hier.“ Mit diesen Worten war
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