Eiskalte Versuche
auch?“
„Ich spreche von Frank.“
Rufus riss die Augen auf. Die zahllosen Falten in seinem Gesicht verschoben sich.
„Was ist mit ihm?“
„Er wurde ermordet.“
Rufus wurde wachsbleich. Seine Beine gaben nach. Er sank neben Isabella zu Boden. Ohne dass er es merkte, ergriff er ihre Hand und umklammerte sie.
„Gott im Himmel“, murmelte er. „Glaubst du …“
„Sprich es nicht aus“, flüsterte John. „Denk nicht einmal daran.“
„Was machen wir nun?“
„Wir holen ihn nach Hause, damit wir ihn beerdigen können.“
„Aber …“
Isabella stöhnte.
„Schsch“, flüsterte John befehlend.
Rufus schluckte herunter, was er sagen wollte. Sekunden später eilten David und Jasper die Treppe herunter, mit rascheren Schritten, als ihr Alter vermuten ließ.
„Was ist passiert?“ fragte David und stellte seine Arzttasche neben Isabella auf den Boden. Er nahm ein Stethoskop heraus und ließ sich auf die Knie nieder.
„Das brauchst du nicht“, sagte John. „Sie ist nur ohnmächtig. Halte ihr etwas Riechsalz unter die Nase und bring sie auf ihr Zimmer. Wir haben ein schlimmeres Problem.“
David verlagerte sein Gewicht auf die Fersen.
„Was denn?“
„Frank ist tot. Ermordet.“
David wurde blass.
„Mein Gott … wo ist es passiert?“
„Brighton Beach.“
David runzelte die Stirn. „Den Namen habe ich schon gehört, aber ich kann mich nicht erinnern, wo das …“
„Gehört zu Brooklyn in New York, glaube ich. Wegen der russischen Einwanderer, die dort leben, wird der Stadtteil auch Little Russia genannt.“
Jasper Arnold rang nach Luft. Das war das einzige Geräusch, das den Schock der vier Männer hörbar machte. Isabella regte sich und versuchte, sich aufzurichten.
„Was ist passiert? Warum bin ich …“
Schlagartig kehrte die Erinnerung zurück. Ihre Züge erschlafften, während sie sich auf die Beine helfen ließ.
„Onkel Frank ist tot“, sagte sie und schluchzte auf.
Die vier alten Männer umringten sie.
„Ja, wir haben es auch erfahren.“ David nickte. „Komm jetzt, Liebes. Du musst dich hinlegen.“
„Der Empfang“, murmelte sie.
„Ich rufe Delia aus dem Büro. Sie soll sofort in das Hotel kommen und wird sich für den Rest des Tages um die Hotelgäste kümmern. Mach dir darum keine Sorgen, Isabella.“
„Was machen wir jetzt?“ fragte Isabella und schlug die Hände vor das Gesicht.
Stumm sahen die Männer sich an. David brach schließlich das Schweigen.
„Wir holen ihn nach Hause.“
Am Horizont versank die Sonne. Jack Dolan trat aus dem Haus und ging über die Holzplanken zu seinem Whirlpool. Bis auf das Badetuch, das er um die Hüften geschlungen hatte, war er nackt. Sein Haus in einer Kleinstadt in Virginia lag am äußersten Ortsrand; mit dem Wagen brauchte man eine knappe Stunde bis Washington, D.C. Ein drei Meter hoher Zaun um den Garten schirmte ihn vor unerwünschten Blicken ab. Im Übrigen wohnten seine nächsten Nachbarn einen halben Kilometer entfernt und waren öfter auf Reisen als er selbst.
Sein schleppender Gang zeigte Jack, wie erschöpft er war. Als er das Becken mit dem brodelnden Wasser erreichte, ließ er das Handtuch achtlos fallen und stieg hinein. Schamhaftigkeit hatte noch nie zu seinen bezeichnenden Eigenschaften gehört. Noch ein paar Schritte, und er sank auf den eingebauten Unterwassersitz. Seufzend lehnte er sich zurück. Aus den Düsen strömte heißes sprudelndes Wasser und massierte seine Haut.
Sein Rücken wies die Narben von zwei Messerstichen auf. Eine alte Schusswunde zierte seinen Oberschenkel. Als Andenken an seinen letzten Fall hatte er ein paar Rippenbrüche zurückbehalten, die noch nicht gänzlich ausgeheilt waren. Ein Privatleben kannte er nicht. Seit seinem Studienabschluss an der Boston University war er ohne Unterbrechung als Ermittler für das FBI tätig gewesen. Mit achtunddreißig Jahren besaß er als Belohnung für seinen Einsatz ein Haus, in dem er sich kaum aufhielt, und ein paar Geldanlagen, bei denen er nicht wusste, ob er jemals in den Genuss der Erträge kommen würde. Vor dem Fälligkeitstermin war er vielleicht schon tot.
Das Wasser strömte um seine Arme und Beine. Es linderte den Schmerz in den alten Narben und lockerte seine angespannten Muskeln. Den Kopf an den Beckenrand gelehnt, schloss Dolan die Augen. Doch sofort spürte er, dass es wieder anfing. Seit sechs Monaten kannte er diesen Zustand. Eine Rastlosigkeit, die ihn früher nicht geplagt hatte; dazu die Sehnsucht nach
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