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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf S. Dietrich
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dem Abitur im fernen München ein Studium begonnen hatte. Aus der störrischen pubertierenden Göre war eine junge Dame von auffallender Schönheit geworden. Dass sie sich in seinen Augen etwas seltsam kleidete, hielt er für eine vorübergehende Erscheinung, die sich irgendwann verlieren würde. Nicht nur in der kalten Jahreszeit lief sie in Hosen herum, die oben eng und unten weit waren, aber immerhin die Beine bedeckten. Auf Fotos, die sie aus München geschickt hatte, trug sie Röcke, die beängstigend kurz waren und in ihm einen Augenblick lang den Verdacht hatten aufkeimen lassen, sie könnte vielleicht einer ganz anderen Beschäftigung als dem Studieren nachgehen. Zumal ihre Schuhe eine Schwindel erregende Höhe hatten und wie Briketts unter den Füßen hingen und ihre üppigen dunklen Locken ungebändigt in alle Richtungen wucherten. Außerdem lebte sie in einer Wohnung mit mehreren jungen Frauen und Männern zusammen. Wie es dort zuging, mochte er sich gar nicht erst vorstellen.
    Aber während Sohn Peter wenig Neigung zeigte, mehr als einen Tag bei seinen Eltern zu verbringen, war Susanne sofort bereit gewesen, im Haushalt die Mutter zu vertreten, die für einige Tage zu ihrer Schwester in die Ostzone gefahren war. Es war kompliziert genug gewesen und hatte lange gedauert, bis sie eine Besuchserlaubnis für Chemnitz – das jetzt Karl-Marx-Stadt hieß – bekommen hatte, da konnte man beim Termin nicht wählerisch sein. Und im Winter war ihre Abwesenheit allemal besser zu verkraften als in der Zeit der Frühjahrsbestellung oder während der Ernte. Zu Clasens Überraschung gingen seiner Tochter die Arbeiten im Haus und auf dem Hof leicht von der Hand.
    Um nach seinen Gästen Ausschau zu halten, öffnete der Landwirt die Tür. Fast hätte der Wind sie ihm aus der Hand geschlagen. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, das Schneegestöber zu durchdringen. Der Wind peitschte den Schnee fast waagerecht über den Hof, und das Meer der Flocken war so dicht, dass er nicht einmal die Wirtschaftsgebäude erkennen konnte. Dort, wo eine Lampe die Einfahrt beleuchtete, war kaum mehr als ein milchiger Fleck zu erkennen. Claas Clasen sah auf die Uhr. Gewöhnlich waren seine Skatbrüder pünktlich, und sie hätten schon vor einer halben Stunde da sein müssen. Waren sie doch vom Schnee aufgehalten worden?
    Wenn nur dieser eisige Wind nicht wäre! Die Temperatur war drastisch gefallen. Und der Schneefall hatte auch nicht nachgelassen. Alles zusammen konnte die Straße unpassierbar machen. Während er noch überlegte, ob er den Schlepper anwerfen und ihnen entgegenfahren oder zuerst Enno anrufen sollte, mit dessen VW-Käfer sie gewöhnlich kamen, erschienen unter dem Lichtfleck in der Einfahrt die vagen Umrisse einer Gestalt, die sich durch das Schneetreiben kämpfte. An der Art, wie die Person die Füße hob und diese anschließend im Schnee versanken, erkannte Clasen, wie hoch der Wind den weißen Niederschlag auf der anderen Seite des Hofes bereits aufgetürmt hatte. Zwei weitere schneebedeckte Gestalten folgten der ersten.
    Seine Freunde kamen also zu Fuß.
    War wohl doch zu viel für Ennos Volkswagen, von dem er ja immer behauptet, er käme überall durch. Steckt bestimmt in einer Schneewehe. Na ja, Hauptsache sie sind da. Zur Not bringe ich sie mit dem Hanomag nach Hause. Er wandte sich um, öffnete die Tür einen Spalt und rief ins Innere: „Sie kommen, Susi. Ich glaube, die brauchen was zum Aufwärmen. Mach mal ‘n Köm für alle fertig.“
    In diesem Augenblick schrillte in der Diele das Telefon. Susanne Clasen nahm den Hörer ab und meldete sich. „Vater!“, rief sie, nachdem sie wieder aufgelegt hatte, „deine Skatbrüder kommen nicht. Sie sind schon auf der Landstraße stecken geblieben und mussten wieder umkehren. In der Senke am Heideweg liegt der Schnee über einen Meter hoch.“
    Claas Clasen schüttelte den Kopf. „Kind, was redest du da! Sie kommen gerade über den Hof.“ Dass mit seinen Besuchern etwas nicht stimmte, erkannte er erst, als der erste seine Kapuze abzog.
    „Moin, Herr Clasen. Kennen Sie mich noch? Ich bin Sven. Der Sohn von Ihrem alten Schulfreund Herbert aus Cuxhaven-Süderwisch.“ Der Bauer starrte ihn mit offenem Mund an, während Sven sich Eiskristalle von den Augenbrauen zupfte. Er stellte seine Kameraden vor und erklärte, was ihnen zugestoßen war. Dass noch einer seiner Freunde auf dem Parkplatz im Auto saß, erwähnte er nicht.
    Claas Clasen hatte sich gefangen. „Dann

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