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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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seinem Wagen und legte den entwendeten Schlüssel ins Handschuhfach. Der Schlüssel fühlte sich kalt und klein an, er fürchtete, sein Zauber sei schon erloschen. Er nahm sich vor, ihn bis zum Abend zu vergessen, total zu vergessen, als existiere er nicht.
    Während er fuhr, wurde es kühl. Die Sonne schien zartrot, weinrot, die Farbe, die er am wenigsten mochte und die ihm signalisierte, dass die Welle der Angst ihren Scheitelpunkt erreichte.
    Er hielt auf einem Parkplatz, an einem Holztisch saßen Urlauber, ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die er nicht verstand. Sie aßen und lachten, und er sah sie sterben. Das weinrote Bild wurde blau und grau und eiskalt. Er konzentrierte sich, obwohl er sich dagegen wehrte, auf den kurzen Todeskampf der beiden Kinder.
    Nach einigen Minuten wich das Bild. Die Kinder kickten gegen einen Plastikball, das Ehepaar packte die Reste zusammen.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er wollte lange schlafen und hoffte, der Wunsch würde ihm erfüllt werden.
    Er wusste jetzt, dass er nicht er selbst war, und der Gedanke beruhigte ihn. Er begann, die nächsten Stunden klar vor sich zu sehen, und er spürte, wie das Wissen um den Schlüssel im Handschuhfach ihm Kraft gab.
    Er war jetzt zuversichtlich und hatte den Eindruck, alles sei normal, alles sei richtig und unumgänglich.
    Kurz bevor er einschlief, registrierte er erleichtert die Ankunft der Bewusstlosigkeit, die die Angst betäubte, bevor er sie in der Nacht besiegen würde.

3
    Kimmo Joentaa lag auf dem Steg. Er streckte seine Arme und Beine weit aus und versuchte, sich nicht zu bewegen, nichts zu tun und nichts zu sein.
    Irgendwann setzte die Dämmerung ein, er beobachtete sie, zum ersten Mal in seinem Leben, das Wechselspiel der Farben. Schwarz wurde Grau und Grau Hellgrau, Dunkelblau, Blassblau. Es wurde schnell heller, nahtlos, er verpasste den Übergang, obwohl er sich zwanghaft auf den Moment konzentrierte, in dem die Schwelle zwischen Hell und Dunkel überschritten würde.
    Der Morgen war kalt und klar.
    Als das Schauspiel vorüber war, dachte er daran, wie gerne Sanna jetzt neben ihm gelegen hätte. Auf dem Nachbargrundstück rechts von ihm stiegen Kinder in ein rotes Ruderboot und paddelten auf den See hinaus. Er sah ihnen nach. Das Bild verschwamm vor seinen Augen, die begeisterten Rufe entfernten sich.
    Er schloss die Augen und sah ein graues Ruderboot auf grauem Wasser, in dem Sanna saß und lachte. Er versuchte, das Boot rot und das Wasser blau zu sehen, aber es ging nicht. Je mehr er sich bemühte, desto blasser wurde das Bild. Nach einer Weile verschwand es ganz, und er schlief ein, gerade als er dachte, dass er nie mehr würde schlafen können.
    Er schlief unruhig, immer nah an der Oberfläche, und erwachte von etwas Kaltem auf seinem Gesicht. Er richtete sich ruckartig auf und schrie unkontrolliert. Die drei Jungen im roten Ruderboot saßen neben ihm und sahen ihn mit großen Augen an. Ob alles in Ordnung sei, fragte einer von ihnen. Joentaa nickte und entschuldigte sich.
    »Ich war wohl eingeschlafen«, sagte er.
    »Wir dachten, dass vielleicht etwas nicht stimmt«, sagte Roope, der Sohn der jungen Frau, die im Nebenhaus wohnte. »Sie lagen … irgendwie komisch.«
    »Alles in Ordnung«, sagte Joentaa und stand auf. »Trotzdem danke, dass ihr nach mir gesehen habt.« Er zog seine Jacke aus, die verstaubt und faltig war. »Habt ihr Ferien?«, fragte er, um irgendetwas zu sagen.
    »Noch zwei Wochen«, antwortete einer.
    Joentaa nickte, wandte sich ab und ging die Anhöhe hinauf zu seinem Wagen. Der Schlüssel steckte in der Zündung. Er zog ihn heraus und stolperte über die drei Stufen zur Haustür. Während er aufschloss, registrierte er, dass es sehr heiß geworden war. Er hatte offensichtlich eine ganze Weile geschlafen. In der Küche sah er auf die Uhr. Es war Viertel nach elf. In der Spüle lagen Teller, auf denen sich Schimmel gebildet hatte, weil er die vergangene Woche fast ausschließlich im Krankenhaus verbracht hatte. Er war nur nach Hause gefahren, um Kleider zu wechseln.
    Einmal hatte Sanna ihn gebeten, alte Fotos zu holen. Bilder aus Lahti, wo sie sich vor sechs Jahren kennengelernt hatten, in einem eiskalten Winter, beide Zuschauer eines Langlaufrennens. Er hatte sich kaum wiedererkannt auf den Bildern, und sie hatte gelacht, als er sich über seine Frisur aufgeregt hatte, schulterlange Haare, blaue Zipfelmütze. Er sehe lächerlich aus, hatte

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