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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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meldet? Nicht bei den Kindern und nicht bei ihrem Mann?«
    »Kann man in einen anderen Menschen hineinschauen?« Frau Thalmeier seufzte. »Haben Sie sie gefunden?«
    Meißner nickte.
    »Ist sie tot?«
    Er nickte wieder. »Wir suchen jetzt nach Charlotte. Sie ist seit zwei Wochen verschwunden.«
    »Charlotte? Aber die ist doch im Urlaub! Sie hat mir vor Kurzem eine Karte geschickt und geschrieben, dass es ihr gut geht.«
    Trotz seiner eiskalten Hände und obwohl er seine Füße nicht mehr spürte, brannte jetzt wieder ein Feuer in Meißner. Wenn es einmal läuft, dann läuft es, redete er sich ein. Wenn du ein Mal Glück hast, dann hast du es auch ein zweites Mal.
    Er durfte die Karte mitnehmen, musste Frau Thalmeier aber versprechen, sie ihr auf jeden Fall zurückzubringen. Auf der Vorderseite war eine einsame Felsenbucht abgebildet. Ein Segelboot dümpelte auf türkisblauem Wasser.
    »Vielleicht kommen Sie mich im Sommer ja mal wieder besuchen«, schlug Frau Thalmeier zum Abschied vor. »Wenn die Hasen und die Enten wieder da sind.«
    »Dazu müssen wir erst einmal den Winter überstehen«, sagte Meißner. »Aber das schaffen wir beide, oder?«
    »Unkraut vergeht nicht, hat meine Mutter immer gesagt.«
    Zurück in Ingolstadt fuhr Meißner noch einmal zur Donau-Kühlung, um das Geheimnis des letzten Regals zu lüften. Im Sekretariat erfuhr er, dass auch der Junior in der Kühlhalle war. Meißner fand ihn im Gespräch mit einem der Lageristen, einen Packen Fracht- und Lieferscheine in der Hand.
    »Wollten Sie nicht mit Ihrem Vater nach München fahren?«, fragte ihn Meißner.
    »Ich kann ja nicht dauernd unterwegs sein. Irgendwann muss ich mich auch mal wieder um die Firma kümmern«, antwortete er.
    Er war patzig wie immer, sah aber ziemlich schlecht aus. Kein Wunder, dachte Meißner.
    »Sie würden mich am liebsten zum Teufel schicken, nicht wahr? Ich versteh das sogar.«
    Helmer belauerte ihn ungeduldig.
    »Wie sind eigentlich die Gespräche mit Ihren Geschäftspartnern aus Stuttgart gelaufen?«
    »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht«, fuhr Andreas Helmer ihn an. »Was wollen Sie eigentlich noch hier? Nachdem Sie alles auf den Kopf gestellt und meine Arbeiter zwei Tage lang haben schuften lassen, sollte der Betrieb doch endlich wieder weitergehen dürfen. Oder wollen Sie mich noch ganz ruinieren? Meinen Sie etwa, Ihre Ermittlungen bleiben in der Geschäftswelt unbemerkt? Die Konkurrenz lauert doch nur darauf, sich billig eine in Verruf gekommene Firma unter den Nagel zu reißen.«
    »Sie wollen verkaufen?«, fragte Meißner ins Blaue hinein.
    »Nur zu einem vernünftigen Preis.«
    »Und Sie haben keine Ahnung, wie die Leiche in Ihr Kühlhaus gekommen ist.«
    Der Junior schüttelte den Kopf. »Damals war es ja noch nicht mein Kühlhaus, sondern das von meinem Vater.«
    »Dazu müsste ich Sie später noch befragen. Vielleicht draußen, wo’s ein bisschen wärmer ist?«
    »Ich bin beschäftigt, das sehen Sie doch.«
    »Sie können auch morgen früh ins Präsidium kommen.«
    »Dann lieber am Abend, wenn ich hier das Gröbste erledigt habe.«
    »Okay, geben Sie mir dann einfach Bescheid.«
    »Wenn Sie sonst nichts mehr haben …«
    »Eine Sache wüsste ich noch gern.« Meißner setzte sich in Richtung der hinteren Regalreihen in Bewegung und machte Andreas Helmer ein Zeichen mitzukommen. Widerwillig folgte er ihm.
    »Was ist denn noch?«
    Meißner blieb vor dem letzten Regal stehen, zog sich Handschuhe an und nahm eine Packung Krusta-Pizza aus dem Regal. »Woher stammt dieses Gourmet-Produkt?«, fragte er.
    »Mein Gott, das alte Zeug«, antwortete der Junior. »Das ist doch schon hundert Jahre alt.«
    »Eher siebzehn. Oder zwanzig, zweiundzwanzig vielleicht?«
    »Ich weiß es nicht genau. Es war schon da, als ich die Firma übernommen habe. Sozusagen eine Erblast meines Vaters. DDR -Waren. Oder Nach- DDR -Waren. Aus dem Osten eben. Vielleicht haben die Ostunternehmen tatsächlich geglaubt, sie könnten ihre Produkte hier im Westen weiterverkaufen, aber das hat nicht geklappt? So was wäre höchstens noch im Osten zu verkaufen gewesen, aber die Leute drüben wollten nach der Wende auch lieber die Westwaren. Italienische Pizza mit dünnem Teig, keine Bauernpizza mit Hackfleisch und Sauerkraut. Können Sie sich vielleicht vorstellen, so etwas zu essen?«
    »Bevor ich verhungere, vielleicht. Aber warum hat die Packungen denn keiner mehr abgeholt, um sie anderswo, meinetwegen auch wieder im Osten, zu

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