Eisprinzessin
verkaufen?«
»Weil die Betriebe entweder pleitegegangen sind oder von der Treuhand abgewickelt wurden. Von denen ist keiner mehr greifbar. Natürlich wäre mein Vater liebend gern dieses Zeug losgeworden, aber irgendwann war klar, dass wir das nur noch entsorgen können.«
»Und warum haben Sie es nicht entsorgt?«
»Haben Sie eine Ahnung, was das kostet? Und können Sie sich außerdem die Publicity vorstellen, wenn bekannt wird, dass wir Lebensmittel wegwerfen? Das wär ein gefundenes Fressen für die Ökomafia gewesen: ›Donau-Kühlung vernichtet tonnenweise Tiefkühlwaren, während anderswo Menschen hungern.‹ Unter erfolgreicher PR stelle ich mir was anderes vor.«
Die Erklärung klang nicht schlecht, überzeugte Meißner aber trotzdem nicht. Er überlegte, warum. War es die Verve, mit der Helmer junior seine Argumente vorbrachte, die Entrüstung, die ihm bemüht erschien, oder überhaupt die starken Emotionen, die so eine abgestandene, hinfällige Altlast bei ihm auslöste? Alles erschien ihm etwas zu viel. Wusste Helmer irgendwas? Hatte er sogar von der Thermokiste unter den Ostkühlwaren gewusst?
»Aber im Moment kann unsere Publicity ja gar nicht mehr schlechter werden«, sagte Helmer.
»Das heißt?«, fragte Meißner.
»Übermorgen kommt das ganze Zeug weg.«
»Übermorgen schon?«
»Ihre Kollegen haben das Kühlhaus doch freigegeben.«
»Dann haben Sie jetzt also keine Angst mehr vor der Ökomafia?«
»Jetzt ist das auch schon egal.«
»Vielleicht könnte das aber auch Teil einer Marketing-Aktion sein?«, schlug Meißner vor. »›Donau-Kühlung macht reinen Tisch. Großreinemachaktion nach Leichenfund. Der Junior schwingt den eisernen Besen.‹«
Helmer nickte gequält.
»Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihre Mutter?«
»Natürlich. Ich war siebzehn damals. Denken Sie, ich war ein Idiot?« Er stürmte davon.
Beim Überqueren des Parkplatzes fiel Meißner eine kleinere Halle auf. Das konnte kein Kühlhaus sein, sonst würde die Tür nicht offen stehen. Es war eine Garage, in der der Fuhrpark der Firma untergebracht war. Drei Gabelstapler des Typs Manitou MI , rot lackiert und topmodern, standen in der ersten Reihe. Dahinter parkten zwei ältere Modelle. Sie waren sonnengelb und stammten von der Firma Still in Esslingen. Außerdem gab es noch zwei ältere Hubwagen zum Handbetrieb und zwei motorbetriebene mit der Typenbezeichnung Jungheinrich ELS 18. Meißner machte mit dem Handy ein paar Fotos von der Logistik-Armada und rief die Spurensicherung noch einmal zum Einsatzort. Bevor er das Firmengelände verließ, gab er im Sekretariat Bescheid, dass seine Kollegen für eine weitere kriminaltechnische Untersuchung erneut aufkreuzen würden. Die Sekretärin rollte zwar mit den Augen, aber dieser stumme Kommentar war auf jeden Fall angenehmer als das Gebrüll des Juniors, das todsicher zu erwarten war. Damit hatte Meißner wahrscheinlich seine Chance verspielt, dass Helmer sich am Abend bei ihm melden würde, aber darauf konnte er jetzt auch keine Rücksicht mehr nehmen. Wenn seine Vermutung stimmte, hatte er soeben die Tatwaffe gefunden.
Erwin Helmer hatte währenddessen in München die Leiche als seine vor siebzehn Jahren verschwundene Ehefrau identifiziert.
»Anfangs war er sehr gefasst«, erzählte Kern Meißner am Telefon. »Er war ja nicht allein da, sondern in Begleitung einer Frau. Im ersten Moment hab ich ja gedacht, die Fürstin Gloria käme zur Tür herein. Die Gloria!« Der Mediziner seufzte tief. »Damals hätte sie auch mich nehmen können. Zu der Zeit bin ich wie sie immer im ›Café Reitschule‹ in der Königinstraße am Englischen Garten gesessen. Aber nein, den Johannes von Thurn und Taxis hat sie genommen, den alten Mann. Weil der mehr Geld gehabt hat als ich. Ich war damals ja noch ein armer Medizinstudent. Dafür war ich der Feschere von uns beiden, das darfst du mir glauben.«
Meißner schmunzelte. Kern hatte die Ähnlichkeit also auch bemerkt. »Und wie ging’s dann weiter, als du kapiert hast, dass dein Gast doch nicht die Gloria war?«
»Der Herr Helmer war sehr zurückhaltend, ganz alte Schule. Nur bevor er gegangen ist, hat er der Toten noch einmal die Hand gestreichelt. Er war sich ganz sicher, dass sie seine Frau ist. Also wär dieses Rätsel gelöst.«
»Ich glaube übrigens, ich hab ein weiteres aufklären können. Ich hab das Tatwerkzeug gefunden. Morgen kriegst du die Ergebnisse von der KTU .«
»Prima. Und nicht vergessen, gell?«
»Nein, bitte,
Weitere Kostenlose Bücher