Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
Vom Netzwerk:
schimmerte milchig weiß im ersten Morgenlicht. Mit ihren Andockschleusen für die Kühllastwagen sah sie aus wie eine Raumstation aus einem Science-Fiction-Film, und Moritz Eberl war der letzte Erdling. Er lief an dem Bau entlang und suchte nach einem Eingang. Plötzlich glaubte er, dass Charlotte hier war oder er hier zumindest erfahren würde, wo sie war. Und was mit ihr geschehen war.
    Die Schleusen waren fest verschlossen. Die Stahltür am Haupteingang war zu, genauso wie die Türen an den Seitenwänden des Kühlhauses. Eberl presste sich an die Außenmauern der Kühlhalle, fuhr mit den Handflächen über den rauen Putz, legte Wange und Ohr an die eiskalte Stahltür, lauschte ins Innere. Außer dem konstanten Brummen der Kühlaggregate gab es keine Geräusche. Nur gefrorene Lebensmittel, totes Fleisch, in Eis gepackten Fisch.
    Der Lichtstreifen am Horizont wurde breiter. Eberl konnte sich noch gut an die Raffinerietürme der Bayern-Oil und die riesigen Tanks erinnern, die östlich des Industriegebiets zwischen Auwaldsee und den Donauauen an der Kälberschütt gestanden hatten. Mit ihnen war er groß geworden. Die Raffinerie war schon länger stillgelegt, die Bayern-Oil hatte den Standort verlegt. Erst in diesem Jahr waren die Stahlriesen gesprengt und im Januar war auch der größte der Tanks, der 107er, abgerissen worden. Mit Stahlschneidegeräten zersägt und Platte für Platte abgetragen. Zwanzig Meter hoch war der Turm gewesen, hatte einen Durchmesser von achtzig Metern gehabt. Auf dem Dach war einmal sogar Fußball gespielt worden. Eberl erinnerte sich noch gut an die Bilder in der Zeitung.
    An der Rückseite der großen Kühlhalle fand er einen Schacht, aus dem warme Abluft aus dem Gebäude trat. Er blieb stehen, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und schaute zu, wie im Osten die Sonne aufging.

ZEHN
    »Servus, Axel, da ist eine Frau Zieglmayer von der Donau-Kühlung am Apparat. Hat vielleicht was mit eurem Fall zu tun. Ich stell sie mal gleich zu dir durch, wenn’s recht ist. Die Streifenkollegen sind schon unterwegs.«
    »Okay«, antwortete Brunner aufgekratzt.
    Gestern Abend waren die Kollegen von der Streife in der Altstadt im Einsatz gewesen. Die Bedienung des Irish Pub, in dem für gewöhnlich die Wirtschaftsstudenten der Katholischen Uni Eichstätt-Ingolstadt chillten – wer außer alten Chieftains-Fans und Wirtschaftsstudenten trank eigentlich heute noch Guinness? –, hatte eine Schlägerei gemeldet. Als die Beamten vor Ort eintrafen, war der Mann, der die Rauferei angezettelt hatte, schon verschwunden. Nur sein Opfer war noch da und wurde vorsorglich in die Ambulanz des Klinikums mitgenommen. Außer einer Platzwunde hatte er keine Verletzungen.
    Brunner war noch zweimal bei Eberls Wohnung am Westpark vorbeigefahren, hatte ihn aber nicht angetroffen und ihn auch per Handy nicht erreicht. Der Beschreibung der Zeugen nach hätte es sich bei dem Schläger um Eberl handeln können, also wurde sein Wagen zur Fahndung ausgeschrieben. Aber er war keiner Streife aufgefallen.
    »Ja, hier Zieglmayer. Ich hätt gern den Herrn Hauptkommissar Stefan Meißner gesprochen.«
    »Der ist im wohlverdienten Wochenende und außer Dienst«, antwortete Brunner. »Kann ich denn etwas für Sie tun?«
    »Und wer sind Sie?«, fragte die resolute Person.
    »Polizeioberkommissar Axel Brunner, ebenfalls Kripo Ingolstadt.«
    »Sind Sie seine Vertretung?«
    Brunner schluckte seinen Ärger hinunter. »Ich schiebe hier den Wochenenddienst. Also, was gibt’s denn, Frau …?«
    »Zieglmayer. Donau-Kühlung. Draußen im Hof prügeln sich zwei Männer. Der eine ist der Juniorchef, den anderen kann ich von meinem Büro aus nicht richtig erkennen. Könnte sein Schwager sein, aber ich bin mir nicht sicher. Den Seniorchef kann ich nicht erreichen, und trennen kann ich die beiden auch nicht, also, ich mein, ich trau mich nicht, dazwischenzugehen. Ich bin die Sekretärin, verstehen Sie mich? Sind Sie für Schlägereien überhaupt zuständig?«
    »Es war sehr gut, dass Sie uns angerufen haben, Frau Ziegl…«
    »Zieglmayer.«
    »Natürlich. Wir sind gleich da. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Sie müssen mit mir nicht reden wie mit einer Hundertjährigen«, sagte die Sekretärin. »Es reicht, wenn Sie möglichst schnell herkommen. Nicht dass die zwei sich noch die Zähne ausschlagen.« Ohne sich zu verabschieden, legte sie auf.
    Also Leute gab’s! Brunner schüttelte den Kopf. Aber was interessierte ihn schon diese dusslige

Weitere Kostenlose Bücher