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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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sich noch dezenter im Hintergrund zu halten, das Gelände aber weiterhin zu beobachten. Sie könnten ja in der Art eines Wachdienstes rund um das Firmengelände patrouillieren, unauffällig, versteht sich.
    »Unauffällig in Grün-Weiß?«, fragte der Kollege nach. »Wie soll das denn gehen? Und übrigens san mia koa Wachdienst, sondern Beamte.«
    »Und deshalb werdet ihr auch besser bezahlt als die Jungs von der privaten Security«, antwortete Brunner. »Alles klar?«
    Als er vom Industriegebiet zurück in die Stadt fuhr, hielt er tatsächlich an dem Etablissement an der Manchinger Straße, das Marlu ihm genannt hatte. Aus reiner Neugierde. Es war ein mehrstöckiges Wohnhaus hinter einer Tankstelle. Der Seiteneingang war mit einem roten Pfeil markiert. Im ersten Stock gab es bunte Graffiti an den Wänden. Schmetterlinge, Urwald, Fantasygestalten, alles grausig bunt und kitschig. Im Flur zu den vier Privatwohnungen, die wohl als Puff herhielten, standen angestaubte Plastikpalmen, die als Statisten für ein bisschen Schmuddelfeeling sorgten. Kurz war Brunner versucht, an einer der Wohnungen zu klingeln, aus der eine Frauenstimme zu einem aufgeheizten Discorhythmus eindeutige Laute von sich gab, dann aber besann er sich. Er war schließlich im Dienst, und es wäre seiner Karriere nicht gerade förderlich, wenn er jetzt jemandem begegnete, der ihn kannte. Er durfte seinen Einstieg in Ingolstadt nicht verpatzen. Immerhin wollte er es hier noch zu etwas bringen. An der Tankstelle kaufte er sich eine Dose Red Bull, trank sie in einem Zug leer und fuhr dann zum Klinikum.
    »Tabletten-Abusus«, sagte die Ärztin und sah Brunner prüfend an.
    »Missbrauch, ja, ich hab Sie schon verstanden. Alkohol auch?«
    »Nicht übermäßig viel, aber selbst kleine Mengen steigern die Wirkung der Tabletten und machen die Mixtur unberechenbar.«
    »Was muss ich mir darunter vorstellen?«
    »Das ist individuell ganz verschieden. Das Spektrum reicht von einfachen Kopfschmerzen oder Migräne über Bewusstseinsstörungen bis hin zu neuronalen Ausfällen.«
    »Blackout?«
    »Ja, so etwas in der Art.«
    »Und wie geht es jetzt mit ihm weiter?«
    »Eigentlich müsste sich der Patient jetzt vor allem einmal richtig erholen. Seinem Allgemeinzustand nach zu schließen hat er lange nicht mehr richtig geschlafen und befindet sich in einem akuten Erschöpfungszustand. Schlaf ist für ihn die allerbeste Medizin.«
    »Dazu müsste er aber nicht hier in der Klinik bleiben?«
    »Müsste er nicht, wenn er jemanden hat, der sich um ihn kümmert.«
    »Das übernehme ich«, versprach Brunner. »Ich bringe ihn nach Hause.«
    »Was hat er denn angestellt?«
    »Kleine Schlägerei, nichts Wildes. Ich werde mich schon um ihn kümmern.«
    Eberl lag apathisch auf der Liege, auf der die Ärztin ihn untersucht und ihm Blut abgenommen hatte. Er war kurz davor einzuschlafen.
    »Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause.« Brunner rüttelte an seinem Arm.
    »Mit Ihnen gehe ich nicht mit.« Eberl sah zur Decke.
    »Wenn Sie nicht wollen, kann ich Sie auch festnehmen und ins Präsidium bringen lassen. Körperverletzung in zwei Fällen, Hausfriedensbruch, das reicht zumindest für eine Ingewahrsamnahme. Also, was ist Ihnen lieber: polizeiliche Obhut oder von mir nach Hause gebracht werden?«
    Eberl richtete sich langsam auf.
    »Warten Sie.« Brunner half ihm beim Aufstehen und hakte ihn unter. Eberl ließ es geschehen. Sein Widerstand war gebrochen, oder er war einfach nur zu erschöpft, um noch einmal aufzubegehren.
    Auf der Autofahrt dämmerte Eberl dahin. Er protestierte nur einmal kurz, als Brunner das Radio anstellen wollte.
    Als Brunner ihn beim Aussteigen um den Haustürschlüssel bat, zuckte er nur mit den Schultern. Brunner tastete seine Taschen ab und fand ihn in der Jackeninnentasche.
    In der Wohnung führte Brunner ihn zum Sofa und deckte ihn mit einer Wolldecke zu.
    »Tee?«, fragte er.
    Er setzte Wasser auf, suchte nach Teebeuteln und entschied sich für Kamille. Als er den Tee einschenkte, war Eberl schon eingeschlafen. Brunner rüttelte ihn am Arm. »Der Tee ist fertig. Möchten Sie?«
    Eberl schreckte hoch und nahm einen Schluck.
    »Was haben Sie eigentlich auf dem Firmengelände gesucht?« Weil Eberl wieder wegdämmerte, rüttelte er wieder an seinem Arm.
    »Sie muss doch irgendwo sein«, murmelte er.
    »Sie wollten also gar nicht mit Ihrem Schwager sprechen, sondern haben nach Charlotte gesucht?«
    »Charlotte«, echote Eberl.
    »Aber wieso sollte sie denn in

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