Eisprinzessin
der Firma sein? Und wo denn überhaupt dort? Helmer sagte, Sie wollten in das Kühlhaus eindringen?«
Eberl zitterte. Die Decke war nach unten gerutscht und bedeckte jetzt nur noch seine Beine. Brunner rührte sich nicht.
»Meinen Sie, Charlotte ist in dem Kühlhaus? Glauben Sie, dass sie tot ist? So tot wie die gefrorenen Rinder- und Schweinehälften, die da hängen?«
Eberls Gesichtszüge verzerrten sich.
»Aber wie soll sie denn da hingekommen sein?«, fragte Brunner.
Eberl seufzte.
»Und wer hat Ihre Charlotte dann auf dem Gewissen?« Brunner redete auf Eberl ein wie ein Hypnotiseur. »Wer hat Charlotte getötet?«
Eberl schluchzte auf.
»Es war nicht Ihr Schwager, sondern Sie. Sie waren es!« Brunner kam noch näher. »Sie haben Charlotte umgebracht!«
Moritz Eberl zitterte jetzt am ganzen Körper, er hatte keine Kontrolle mehr darüber.
»Und anschließend haben Sie die Leiche ins Kühlhaus gebracht.« Brunner überlegte, wie Eberl dort hineingekommen sein könnte. Hatte Charlotte einen Schlüssel besessen? Schließlich half sie in der Firma aus. Auf jeden Fall musste sie gewusst haben, wo die Schlüssel in der Firma hingen. Vielleicht hatte sie es ihrem Mann gezeigt, oder er hatte es beobachtet. So konnte es gewesen sein.
Eberl weinte jetzt hemmungslos. Rotz lief ihm aus der Nase. Angeekelt griff Brunner nach der Decke und fuhr ihm damit grob über das Gesicht. »Haben Sie Ihre Frau umgebracht?« Brunner hob die Stimme.
Eberl schrie auf. Ein irrer, wilder Schrei. Dann presste er den Kopf in die Kissen und winselte wie ein geprügeltes Tier. »Arme Charlotte«, verstand Brunner.
Er stand auf. Eberl hatte ihm nicht widersprochen. Das war so gut wie ein Geständnis. Brunner bat die Kollegen von der Streife her. Dann informierte er den Haftrichter, dass er nun ein Geständnis hätte und ihn wirklich dringend bräuchte. Der offizielle Teil des Kongresses war mittlerweile beendet, wie Brunner an den klirrenden Gläsern und klappernden Bestecken im Hintergrund hören konnte. Der Richter erklärte sich missmutig bereit, nach Ingolstadt zurückzufahren und den gewünschten Haftbefehl auszustellen.
Anschließend informierte Brunner seinen Chef. Czerny würde sich darum kümmern, dass der Staatsanwalt den Durchsuchungsbeschluss für die Donau-Kühlung ausstellte.
»Was ist mit Stefan? Hast du ihn nicht informiert?«, fragte Czerny.
»Ich konnte Kollege Meißner den ganzen Tag noch nicht erreichen, und Kollegin Rosner ist auf einer Familienfeier.«
Brunner fühlte sich unschlagbar. Das Adrenalin pumpte seinen Körper förmlich auf. Während er auf die Kollegen von der Streife wartete, wanderten seine Gedanken bereits zu dem Großeinsatz auf dem Kühlhausgelände. Vielleicht würde es Nacht werden, bis der Durchsuchungsbescheid kam und die Aktion koordiniert war. Das Gelände würde hell erleuchtet sein wie bei Bergungsarbeiten auf der Autobahn oder wie bei den Rettungsbohrungen, die gemacht worden waren, um die verschütteten Bergarbeiter in Chile zu retten. Das war in etwa die Größenordnung, in der Brunner dachte.
Der alte Helmer und der Junior mussten informiert werden. Die Geschäftspartner aus Stuttgart würden den Rummel der Durchsuchung wohl verpassen, wenn es erst abends losging. Schade eigentlich.
Brunner sah zu dem jämmerlichen Bündel Mensch auf dem Sofa hinüber, das sich nun ganz in die Decke gehüllt hatte und ab und zu aus dem Schlaf gerissen wurde, wenn ein wildes Zucken seinen ganzen Körper schüttelte.
»Wir werden sie finden«, kündigte Brunner dem Schlafenden an. »Hundertpro.«
ELF
Zwei Nächte hatte er es jetzt hier draußen ausgehalten. Die Bäume waren kahl, die stehenden Gewässer zugefroren bis auf ein paar offene Stellen an den Ufern. Das Schilf am Ufer stach wie Borsten durch das Eis. Es war saukalt. Am Morgen schlief er, bis es hell wurde. Kurz waren diese Tage. Die Biber hielten schon Winterruhe. Sie ließen sich nicht mehr außerhalb ihrer Bauten sehen, fraßen von den Strauchvorräten, die sie vor ihren Wohnburgen angelegt hatten. Ihre Spuren waren überall im Auwald zu sehen. Sanduhrförmig abgenagte und dann sauber umgelegte Baumstämme, wenn sie ihre Mission beendet hatten.
Meißners Freund, der Graureiher, stand am anderen Ufer des Altwassers in der Nähe seiner Hütte. Selten fing er etwas, die meiste Zeit stand er nur am seichten Ufer und rührte sich nicht. Auch den Hecht hatte er wiederentdeckt, all seine Mitbewohner der Auen waren da, nur still war es
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