Eisprinzessin
schneite. Am Theaterplatz standen die Buden des Christkindlmarkts, es roch nach Zimtwaffeln und Glühwein. Die gesamte Innenstadt war beleuchtet, und in der Engelsgasse und auf dem Hirtenweg gab es Holzspielzeug, Kripperl, Strümpfe und Bratpfannen zu kaufen und für die Kinder ein Karussell.
Für Meißner war die Adventszeit vor allem die Zeit der Last-minute-Geschenke und der Feiertagspanik. Zwei, eigentlich drei Feiertage hintereinander. Wegfahren sollte man, aber selbst das musste man rechtzeitig planen. An Weihnachten wollte ja jeder irgendwohin. Die meisten nach Hause.
Im Präsidium erfuhr Meißner, dass Brunner mit dem Georgier bereits nach Ingolstadt unterwegs war. Angesichts der Strecke Köln–Ingolstadt, die etwa fünfhundert Kilometer betrug, und Brunners Leidenschaft für schnelles Fahren war er womöglich in zwei Stunden da. Vorausgesetzt natürlich, es gab keine Staus, keine lästigen Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Baustellen. Zudem durfte der Bratscher kein Weichei sein, der bei zweihundert Stundenkilometern plus Muffensausen bekam.
Waleri Senaia war der Aufforderung, zur Vernehmung nach Ingolstadt zu kommen, ohne Einwände gefolgt, allerdings blieb ihm bei einer vom Staatsanwalt ausgestellten Vorladung auch fast nichts anderes übrig. Er war zwar als Zeuge vorgeladen, nicht als Beschuldigter, aber was nicht war, konnte ja noch werden.
Am Vormittag, als Meißner davon ausgehen konnte, dass auch Fischer einige Kilometer südlich langsam aufgestanden war, rief er ihn an. Der Exkollege saß bereits beim Frühstück in einer Bar, die für Meißner nach übelster Spelunke klang.
»Sag mal, kannst du nicht woanders hingehen? Bei dem Gedudel und Geplärr kann ich dich kaum verstehen«, sagte Meißner.
»Das sind doch bloß die Spielautomaten und der Fernseher. Warte, ich bezahl mal.«
Meißner hörte wieder Geschrei, etwas, was die Preisansage des Kellners sein konnte, ein Satz wie aus einem Maschinengewehr abgefeuert. Dann Geldklimpern auf dem Tresen und endlich Ruhe.
»Elmar? Bist du noch da?«
»Hier bin ich.«
»Und, was sagst du zu der Karte? Kennst du das Motiv?«
»Das ist eine Bucht im Nordosten der Insel, tausendfach fotografiert und als Postkarte verschickt. Die Katzenbucht, Cala Gat auf Katalanisch, mit Katze, ohne Katze, mit Boot, ohne Boot, mit Bikininixe, ohne Bikininixe. Die Karten kannst du überall auf der Insel kaufen, auch hier in Palma. Die Briefmarke wurde vor Ort in der Hauptpost abgestempelt, in der Carrer de la Constitució, gleich beim Jachthafen. Und zwar vor zehn Tagen. Aber das hast du bestimmt auch schon gesehen.«
»Hört sich doch insgesamt ganz gut an. Und was ist mit dem Konto von der Helmer? Hast du da was erfahren?«
»Ich bin zu einem tatsächlich Zuständigen bei der Bank durchgedrungen und konnte ihm sogar verständlich machen, worum es geht. Er war so freundlich, mir zu sagen, dass von dem Konto in den letzten sechs Monaten kein Geld abgehoben wurde.«
»Und sonst? Hast du dich bei den Deutschen auf der Insel umgehört?«
»Hab ich. Ich hab mich geopfert und hab all die Clubs und Lokale abgeklappert, wo die Deutschen gern hingehen. Hab hier mal ein paar Tapas gegessen, dort ein paar Churros, das sind die fetten Schmalzkringel, die man nur runterkriegt, wenn sie frisch und noch warm sind, dann wieder Tapas und einen Drink und so weiter.«
»Muss ich mir Sorgen machen wegen deiner Spesenrechnung?«
»Na ja, Spanien ist auch nicht mehr das, was es mal war. Und Mallorca sowieso nicht. Aber hier weiß keiner was über Charlotte Helmer.«
»Dann streng dich gefälligst ein bisschen mehr an, Elmar. So groß kann Palma doch nicht sein.«
»Du machst mir Spaß. Schlappe vierhunderttausend Einwohner. Gut drei Mal so viel wie das beschauliche Ingolstadt. Und leider ist die gute Frau hier nicht polizeilich gemeldet.«
»Hast du mit dem Koch gesprochen, der in ihrer Mühle lebt?«
»Hab ich. Er sagt, er hat keine Ahnung, wo sie sein könnte. Bei ihm hat sie sich nicht gemeldet.«
»Aber sie muss doch irgendwo wohnen. In einem Hotel, einer Ferienwohnung, das muss doch rauszukriegen sein.«
»Dann komm du doch her und such nach ihr«, sagte Fischer. »Du kriegst doch sowieso bald deine alljährliche Weihnachtsdepression, wenn du feststellst, dass es kurz vor Heiligabend ist und du weder ein Geschenk für irgendjemanden hast noch weißt, wo du am vierundzwanzigsten hingehen sollst. Bei uns gibt es jedenfalls eine Riesenparty, und du bist herzlich
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