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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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sag’s nicht.«
    »Wollt ich eh nicht. Servus, Meißner.«
    Bei einem Glas Pinot Nero und einem Teller Pasta erzählte Marlu ihm am Abend von ihrem Besuch bei der Detektei Kraus. Rico Kraus, der Besitzer der Firma und aus Oberhof in Thüringen stammender Alleinunternehmer, konnte sich noch sehr genau an den Fall erinnern. Möglicherweise weil er im Jahr nicht allzu viele Fälle bearbeitete, wenn es erlaubt war, vom Zustand seines Büros und dem Alter seiner Büroausstattung auf sein Geschäftsvolumen zu schließen. Alle Unterlagen von damals waren säuberlich in einem Ordner abgeheftet. Fotos, Namen, Adressen, alles da.
    »Wir wissen jetzt, dass der Exlover von Eva Maria Helmer tatsächlich Georgier ist und Waleri Borsow, Blödsinn, was sag ich denn, ich meine natürlich, er heißt Waleri Senaia.«
    »Ha, ha«, brummte Meißner mit vollem Pastamund. »Und hat er tatsächlich in diesem Kammerorchester gespielt?«
    »Ja«, sagte Marlu. »Aber er hat Deutschland 1996 verlassen, weshalb sich auch seine Spur erst einmal verliert. Erst 2003 ist er mit Frau und zwei Kindern im Rheinland wieder aufgetaucht. Im Moment lebt er in Köln und spielt im WDR -Rundfunkorchester.«
    »Welches Instrument?«, fragte Meißner.
    »Bratsche. So eine Art große Geige.«
    »Danke, dass du nicht Fidel gesagt hast. Ich kenne einen einzigen Bratscherwitz. Willst du ihn hören?«
    »Ich kann dir nicht versprechen, dass ich ihn verstehe, aber hören möcht ich ihn schon.«
    »Also, pass auf. Warum hassen Bratscher Friedhöfe?«
    »Hm?«
    »Das ist der Witz. Also: Warum hassen Bratscher Friedhöfe?«
    »Keine Ahnung.«
    »Zu viele Kreuze.«
    »Sorry, muss man das verstehen?«
    »Der Bratscher ist so in etwa der Ostfriese des Orchesters, witzmäßig, verstehst du? Je mehr Kreuze, na, ist ja auch egal. Auf jeden Fall ist dieser Senaia jetzt also in Köln.«
    »Axel ist schon auf dem Weg zu ihm.«
    »Ah, unser Möchtegern-Vettel«, sagte Meißner.
    »Seit er mit der Identität der Leiche, die er gefunden hat, so falsch gelegen hat, ist er dir gleich ein bisschen sympathischer geworden und kratzt weniger an deiner Kriminaler-Eitelkeit, stimmt’s? Wobei ich ja immer noch glaube, dass es nicht nur um die geht.«
    »Worum denn sonst?«
    »Gekränkte männliche Eitelkeit vielleicht? Eine Prise Eifersucht dazu? Wann gibst du’s denn endlich zu?«
    »Ich weiß echt nicht, wovon du hier redest, Marlu. Gino, hast du noch ein Glas für mich?«
    Meißner scannte am Abend noch Charlottes Postkarte ein und schickte sie nach Mallorca. Danach war er wieder einmal in seiner eigenen Wohnung zu Gast, die, das musste er sich eingestehen, genau so kalt und verlassen war, wie Marlu immer behauptete. Aber jetzt noch die Heizung aufzudrehen lohnte sich doch gar nicht. Er war ja eigentlich sowieso schon auf dem Weg ins Bett. In seiner Wohnung gab es keinen Fernseher und keine einzige Kerze. Und die zwei Topfpflanzen, die bis in die Gegenwart durchgehalten hatten, waren in einem beklagenswerten Zustand. Einen Junggesellenhaushalt, so hätte das seine Mutter genannt. Kein Gegenstand zu viel und keiner ohne Funktion. Gemütlich war anders.
    Er träumte von einem Garten. Es war Sommer. Riesige Käfer krochen über eine Wiese, und ab und zu plumpste einer in den Ententeich. Der Wind spielte eine schräge Melodie auf einem Klangspiel, und die Blätter an den Ästen der Bäume raschelten dazu. Eine Schaukel baumelte quietschend an einem dicken Ast, aber kein Kind war weit und breit zu sehen. Dafür trippelte ein alter Mann in braun-gelb karierten Pantoffeln eilig über den Rasen, blieb immer wieder stehen und sah sich suchend um. Noch im Schlaf dachte Meißner, dass das kein schöner Traum war und er lieber aufgewacht wäre, aber er musste diesem verwirrten Alten immer weiter zusehen und spüren, wie seine Verzweiflung wuchs und wuchs. Endlich erschien ein Pfleger und führte den Greis durch eine Glastür zurück ins Haus. Sanft schob er ihn in den Aufzug, dann schloss sich die Tür, und Meißner hörte ein leises Pling, als der Lift sich in Bewegung setzte.

FÜNFZEHN
    Als er am Morgen das Haus verließ, spürte er, dass es etwas wärmer geworden war. Dafür war der Himmel fast schwarz. Ein Sauwetter kündigte sich an, wie es für Mitte Dezember schon fast normal geworden war. Wenn alle Welt von weißen Weihnachten träumte, stiegen die Temperaturen und es begann zu regnen.
    Weihnachten. Um Himmels willen! Das war sowieso die schlimmste Zeit im Jahr, egal ob es regnete oder

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