Eisprinzessin
klein war. Die kann doch nicht jetzt erst gefunden worden sein.«
Meißner lag nichts daran, ihn zu überzeugen. »Wo ist Charlotte?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich habe Charlotte nichts getan. Selbst wenn ich das mit den Briefen gewusst hätte, hätte ich ihr nichts getan. Wahrscheinlich ist sie jetzt bei diesem anderen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Aber sie lebt?«
»Das wissen wir erst, wenn wir sie gefunden haben.«
»Sie lebt, ich weiß doch, dass sie lebt. Ich bin ihr Mann.«
»Und warum ist sie dann fort?«
»Keine Ahnung.«
»Ist sie vor Ihnen weggelaufen?«
»Doch nicht vor mir!« Er war entrüstet.
Meißner fragte sich allmählich auch, was Charlotte Helmer je an diesem Burschen gefunden hatte. Wo waren Eberls Qualitäten, mit denen er eine Frau wie sie erobert hatte?
»Warum haben Sie meinem Kollegen gegenüber ausgesagt, dass Sie Ihre Frau umgebracht haben, wo Sie doch jetzt felsenfest davon überzeugt sind, dass sie gar nicht tot ist.«
»Charlotte ist nicht tot, das spür ich.«
»Das habe ich ja jetzt verstanden. Aber wieso haben Sie dann ein Geständnis über den Mord an Ihrer Frau abgelegt?«
»Ich weiß es nicht mehr«, jammerte Eberl. »Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich hab Angst um sie gehabt, ganz schlimme Angst. Ich hab Tabletten genommen und in den Kneipen was getrunken.«
»Und Leute angegriffen und zusammengeschlagen.«
»Sie haben über mich gelacht. Haben gesagt, Charlotte ist meinetwegen weggelaufen.«
»Und was haben Sie dann gemacht?« Es sah so aus, als hätte Eberl über alles nachgedacht, was in den letzten Tagen passiert war. Nüchtern war er ja nun.
»Dann bin ich aus der Stadt rausgefahren und mit dem Auto von der Straße abgekommen. Es hat gekracht, alles hat sich gedreht, und ich hab gedacht, ich wär tot. Es hätte mir nicht einmal was ausgemacht, aber irgendwie bin ich aus dem Wagen wieder rausgekommen.«
»Wo soll denn das gewesen sein?«, fragte Meißner.
»Irgendwo auf einem Feld. Überall war Gebüsch, da bin ich durchgekrochen, bevor ich wieder auf die Straße und ins Industriegebiet gelaufen bin.«
»Was wollten Sie dort?«
»Ich wollte mit denen reden, Mann.«
»Mitten in der Nacht?«
»Ich hab gewartet, bis es hell geworden ist. Bis der erste Kühllaster gekommen ist und rückwärts an die Schleuse vom Kühlhaus angedockt hat. Dann ist mein Schwager aufgetaucht, aber der hat mich erst gar nicht erkannt.«
»Weil Sie von dem Unfall noch Blut im Gesicht hatten?«
»Nein, weil er mich bei meiner Hochzeit zum letzten Mal angeschaut hat. Die Helmers sind ganz feine Herrschaften. Wenn man nicht auf der und der Schule war und nicht den und jenen kennt, dann ist man für die unten durch. Handwerker? Alles Deppen. Die kommen ins Haus, wenn man sie braucht, aber doch nicht als Schwiegersohn. Arrogante Arschlöcher.« Eberl hämmerte mit der Faust auf den Tisch.
Der Beamte, der mit im Raum war, wurde unruhig. Meißner signalisierte ihm, dass er alles im Griff hatte.
»Ich kann alles, was Sie erzählen, nachvollziehen, aber warum haben Sie Charlotte auf dem Firmengelände gesucht?«
»Das weiß ich doch nicht«, sagte Eberl. »Irgendwie hab ich gedacht, sie müsste dort sein. Dass die irgendwas mit ihr angestellt haben.«
Meißner überlegte. Ohne Eberls Wahnvorstellung oder seine Vorahnung hätten sie die Leiche von Eva Maria Helmer nie gefunden. Vielleicht hatten die Psychopharmaka, die Eberl einnahm, ja wie LSD eine bewusstseinserweiternde Wirkung? »Aber warum haben Sie dann das Geständnis abgelegt?«
»Ich war fertig. Ich war gar nicht mehr ich selbst. Ihr feiner Kollege hat mich heimgebracht, als es mir total beschissen ging. Ich wollte nicht mit ihm mitgehen, aber sonst hätten die mich im Klinikum behalten. Ich hatte doch keine Wahl. Er hat so getan, als würde er sich um mich kümmern. Hat Tee gekocht und mich auf der Couch mit einer Decke zugedeckt.«
Meißner sah aus den Augenwinkeln, dass nun auch der Beamte die Ohren spitzte. Paragraph 343 Strafgesetzbuch. Aussageerpressung. Darum ging es hier.
»Und dann?«, fragte Meißner.
»Er hat gesagt: ›Sie haben Charlotte umgebracht.‹ Und dass er es von Anfang an gewusst hätte. Dass ich die Briefe im Keller schon vorher gefunden und sie deshalb ermordet hätte. Und dass er Blutspuren von Charlotte im Keller gefunden hätte.« Eberl war vor Erregung ganz außer Atem.
»Was waren das für Spuren?«
»Ein Taschentuch mit Blutflecken. Ich hab den Reifen von
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