Eisrose
Dielenboden die Bilderreihen entlang, lächelte und nickte denen zu, die sie kannte, begrüßte jene, die zum ersten Mal den Club besuchten, ohne dabei ihren Fokus von den Bildern fortzulenken. Das Bild einer Frau mit langem Haar, lediglich bekleidet mit einem weißen, kurzen Lederrock, der ihr Gesäß gerade so verdeckte, gefiel ihr besonders gut. Sie lag bäuchlings auf einer Strafbank, das Gesicht frontal dem Betrachter zugewandt. Über ihr schwebte der Schweif einer langen Peitsche ins Bild. Ihr mit Striemen übersätes Gesäß streckte sie empor, den Kopf hielt sie angehoben, bog ihren Körper somit zum Hohlkreuz. Im Hintergrund war ein Bett mit ledernen Handschellen zu sehen, Fesselvorrichtungen zierten den Raum. Das Besondere jedoch war auch bei diesem Bild der Ausdruck der Augen. Dieser Blick, in dem sämtlicher Lustschmerz der Welt zu liegen schien. Eine fantastische Aufnahme. Leah konnte ihren Blick kaum lösen.
Für einen Moment wurde ihre Aufmerksamkeit fortgelenkt, in eine der Nischen. Interessiert beobachtete sie einen Dom in hellgrauem Designeranzug, der seine Sklavin zu Boden drückte. Sie blieb mit gesenktem Kopf knien und rührte sich nicht. Der Mann stand vor ihr, betrachtete sie von oben herab und schlug dabei den Griff einer Ledergerte in seine offene Hand. Die Devote trug enge weiße Samthandschuhe, ein weißes Halsband mit Strass-Steinchen und ein durchsichtiges helles Spitzenkleid. Der Mann schritt um sie herum, tippte mit der Spitze der Gerte immer wieder auf ihr Gesäß, ganz so, als wollte er dessen Festigkeit und Qualität erproben.
Leah war froh darüber, als Domina tätig zu sein. Sie war diejenige, die sich ihre Partner aussuchte, die spielte, dominierte. Dieser andere Weg käme für sie nicht infrage. Nicht mehr, seit damals.
Sie wandte ihren Blick ab, drängte die aufkeimenden Erinnerungen tief in ihr Innerstes, lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf die Fotografien. Mit Nervosität dachte sie daran, wie wichtig der heutige Abend für den Club war.
Schon seit Wochen stand ihr Vater in Kontakt mit DomW, der nicht nur als Szenefotograf tätig, sondern auch Inhaber von einigen gut laufenden Clubs war. Von Hause aus steinreich, hatte er sein Vermögen gut investiert, und ihr Vater erhoffte sich durch diesen Kontakt finanzielle Rehabilitation des eigenen Clubs, durch eine Finanzspritze in Form eines zinslosen Kredits.
Ein Lufthauch ließ sie aufblicken. Lächelnd legte ihr Vater den Arm um sie.
„Anmutig bist du. Jeder Mann, den du ansiehst, verliert den Verstand. Es wird nachher ein leichtes Spiel für dich sein, unseren Meisterfotografen um den Finger zu wickeln. Mit ein bisschen Charme und Koketterie ist er sicherlich leichter zu ködern als mit nüchterner Taktik. Ich bin sicher, dir wird das Passende einfallen.“
„Er wird tatsächlich persönlich erscheinen? Wo er doch dafür bekannt ist, genügend Lakaien zu haben, die sämtliche Geschäfte in seinem Sinne für ihn tätigen.“
„Er wird nicht nur, sondern er ist schon da.“
Leah folgte dem Blick ihres Vaters in Richtung Bar. Dort stand ein hochgewachsener, eleganter Mann, der seinen Blick über die Menge schweifen ließ.
Leahs Herz setzte für einen Moment aus.
Diesen Mann hätte sie unter Tausenden von Männern wiedererkannt. Er also steckte hinter dem großen DomW, dessen Name in der Szene zwar ein Begriff, aber dessen Gesicht noch lange nicht jedem bekannt war. Dominik Winter, Starfotograf der Reichen und Schönen. Eiskalter Geschäftsmann, dem sein Ruf vorauseilte und der für seine Arroganz und Unnachgiebigkeit bekannt war. Unter Pseudonym fertigte er also Fotos von einem ganz anderen Kaliber.
„Reiße ihm die Maske der Überheblichkeit vom Gesicht“, drangen die Worte ihres Vaters an ihr Ohr, „und entlocke ihm ein Lächeln.“
Diesem Mann ein Lächeln entlocken? Leah lachte innerlich auf.
Ein Ding der Unmöglichkeit. Dieser Mann besaß ein steinernes Antlitz und war von jeglichen Gefühlsregungen in Bezug auf weiblichen Charme meilenweit entfernt.
„Wieso hast du mir nicht gesagt, wer hinter DomW steckt?“
„Wärst du dann jetzt hier? Ich habe all die Jahre mitbekommen, wie abscheulich und arrogant du ihn findest. Und ich habe nicht vergessen, wie aufgewühlt du damals warst, nachdem du ihm auf einer Party über den Weg gelaufen bist. Leah, ich brauche dich heute Abend. Der Termin mit ihm ist von großer Bedeutung für die Zukunft. Für unseren Club.“
Leah war Dominik vor Jahren begegnet, als
Weitere Kostenlose Bücher