Eiswein (German Edition)
rächen.
»Und jetzt?«, fragte Karl, der damit auf den Brief zurückkam, den Julia ihm gegeben hatte.
Julia ging an ihren Platz hinter dem Schreibtisch zurück und legte das Schreiben wieder in die Schublade.
»Ich war gestern bei meinem Anwalt. Der regelt das.«
»Ich bin da, wenn du mich brauchst«, sagte Karl schließlich und erhob sich.
»Ich weiß, und ich danke dir dafür.«
***
Julia @ Renate
16:50 Wellness-Urlaub!
Ich hab gepackt und fahre gleich los. Schicke dir eine SMS, sobald ich dort bin. Julias Herz schlug bis zum Hals, als sie diese Zeilen in ihr Handy tippte. Vor einer Stunde hat Christoph mir gemailt, dass er zum Abendessen pünktlich im Hotel sein wird. Den Tisch hat er bereits reservieren lassen. Ich freue mich wie ein Schulmädchen!
***
Die Damen an der Rezeption des Fünfsternehotels Zur Post in Maria Wörth schüttelten bedauernd den Kopf.
»Nein, Herr Orthler ist noch nicht eingetroffen, und hat auch keine Nachricht für Sie hinterlassen. Sie können aber gerne schon einchecken, wenn Sie möchten. Er hat unsere ‚Kleine Suite’ für Sie beide gebucht. Gehört zu unseren schönsten Räumen, mit Blick auf den See.«
Julia bedankte sich, ließ ihr Gepäck in die Suite bringen, setzte sich an die Hotelbar und bestellte ein Glas Sherry, von dem sie allerdings nur nippte. Ihr Blick hing wie gebannt am Durchgang zur Rezeption, und bei jeder Bewegung im Foyer blieb ihr vor Erwartung fast das wild pochende Herz stehen.
Das angrenzende Restaurant füllte sich langsam. Der Duft der aufgetragenen Menüs streichelte ihre Nase, das leise Geklapper von Besteck und das Gemurmel der Gäste ließ ihren Magen knurren. Sie konnte von ihrem Platz aus einen Zweiertisch sehen, der leer blieb, und wohl für sie beide reserviert war.
Julia freute sich so sehr darauf, mit Christoph ein paar Tage zu verbringen, dass ihre Nerven vibrierten.
Ein paar Tage an seiner Seite, weit weg vom Stress ihres eigenen Betriebs, weg von Karls Augen, die sie überall zu beobachten schienen, weg von den nervenaufreibenden Briefen aus der Kanzlei ihres Anwalts.
Sie freute sich auf eine unbeschwerte Zeit im Whirlpool, in der Sauna, im Spa-Bereich dieses wundervollen Hotels. Auf ein paar Nächte voller Sinnlichkeit und Erotik. Auf Candlelight Dinners und ein Frühstück im Bett. Sie sehnte sich nach einer Zweisamkeit, die sie schon lange nicht mehr für möglich gehalten hatte.
Christoph!
Scheiße, Renate hatte recht. Julia hatte sich in den Winzer verliebt.
Es war inzwischen weit nach 21:00 Uhr, und Christoph hatte sich weder telefonisch noch per SMS bei ihr gemeldet. Langsam kroch Panik in ihr hoch. Sie befürchtete, dass ihm unterwegs etwas zugestoßen war.
Als er sich um 22:30 Uhr noch immer nicht gemeldet hatte, rief sie auf dem Gut an, dann unter seiner privaten Festnetznummer. Beide Male schaltete sich ein Anrufbeantworter ein, der bedauerte, dass niemand ihr Gespräch annehmen konnte. Auf seinem Handy hatte sie zuvor bereits mehrmals vergeblich versucht, ihn zu erreichen: Das Handy klingelte, aber Christoph nahm nicht ab und meldete sich auch nicht auf ihre SMS, die zuerst besorgt, und dann nur noch wütend klangen.
Denn spätestens jetzt kam ihr der Gedanke, dass er sie gnadenlos versetzt hatte.
Mistkerl!
Am nächsten Tag checkte Julia nach dem Frühstück aus und fuhr zurück nach Hause. Unterwegs hielt sie mehrmals an, um nachzusehen, ob Christoph sich auf ihrem Anrufbeantworter gemeldet oder ihr eine SMS geschickt hatte. Die Hoffnung, dass er eventuell doch noch unterwegs an den Wörthersee war, gab sie erst auf, als sie ihren blauen Golf in die Garage gestellt und die Tür ihrer Wohnung hinter sich zugeworfen hatte.
Unter der Dusche ließ sie ihrer Enttäuschung freien Lauf. Sie heulte wie lange nicht mehr, und verließ die Duschkabine erst, als sie glaubte, den ganzen Schmerz weggewaschen zu haben, der sich ihrer bemächtigt hatte.
Warum ließ sie das nur mit sich machen?
Warum vertraute sie einem Mann trotz ihrer negativen Erfahrungen?
Julia war klar, dass dahinter der Wunsch steckte, einen Partner gefunden zu haben, für den sie so wichtig war wie er für sie.
Aber sie wusste auch, dass ihre Sehnsucht deutlich größer war als ihre Vernunft.
Julia hatte nach ihrem Duschmarathon keine Lust auf Unterhaltung. Sie würde sich auch nicht auf ihre Arbeit konzentrieren können, und blieb deshalb den Tag über in ihrer Wohnung, verkroch sich im Bett. Mit Telefon und Laptop. Dass sie trotz der inneren
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