Eiswein (German Edition)

Das machen wir ab sofort immer, wenn ich in so einer miesen Stimmung bin«, beschloss sie mit einem Seitenblick auf den Hund, der brav an ihrer Seite geblieben war.
    Bevor sie den schützenden Wald verließen, schlüpfte Julia wieder in ihre Kleider und brachte Gustl kurz darauf in seinen Freilauf zurück. Der stürzte sich auf seinen frisch gefüllten Napf, während sich Julia in ihre Wohnung zurückzog und ein heißes Vollbad einlaufen ließ.
    ***
    Von Renate @ Julia
    10:00 Knapp daneben ist auch vorbei.
    Ah, hat dich wieder mal ein Typ verarscht, das ist ja nun wirklich nix Neues. Na ja? Solange du dir das gefallen lässt?
    Renate hatte ihre Zeilen in Rot geschrieben, so wütend war sie offensichtlich über die Leichtgläubigkeit der Freundin.
    Von Julia @ Renate
    10:31 Re: Knapp daneben ist auch vorbei
    Irgendwas stimmt nicht. Ich mache mir Sorgen um ihn. Er bucht doch keine Suite für uns beide, reserviert einen Tisch fürs Abendessen – nur, um mich zu verarschen? Also weißt du!
    Von Renate @ Julia
    10:58 Re: Re: Knapp daneben ist auch vorbei
    Und ich mache mir Sorgen um DICH!
    Julia dachte lange über eine Antwort nach.
    Von Julia @ Renate
    11:09 Re: Re: Re: Knapp daneben ist auch vorbei
    Ich will herausfinden, was dahinter steckt, schrieb sie schließlich zurück.
    Von Renate @ Julia
    11:16
    Hey, Vorsicht! Ich hab kein gutes Gefühl dabei.
    Julia @ Renate
    11:48 Re:
    Wann hast du denn schon mal ein gutes Gefühl dabei, wenn es sich um mich und einen Mann dreht?
    Julia knirschte mit den Zähnen, als sie diese Zeilen in ihre Tastatur hackte. Stimmte doch aber auch, Herrgottnochmal! Ewige Miesmacherei. Manchmal verwünschte sie Renate und ihre negative Einstellung zu diesem Thema.
    Ich schicke dir ein paar Mails, die Christoph und ich gewechselt haben. Dann verstehst du vielleicht, was ich meine.
    Julia suchte die letzten Mails mit Christoph aus dem Postfach und hängte sie an ihre Nachricht. Dann löschte sie den ganzen Mailordner. Christoph hatte sich seit seiner Information darüber, dass er gleich von zu Hause losfahren und sie in gut vier Stunden im Hotel treffen würde, nicht mehr bei ihr gemeldet. Das war inzwischen weit über zwei Wochen her. Seine Mutter, die schließlich ihren besorgten Anruf entgegen genommen hatte, wimmelte sie mit der Information ab, er sei unterwegs und würde zurückrufen, sobald er wieder im Hause sei. Was er dann aber nicht tat. Ich will wissen, was geschehen ist, dass er mich allein an den Wörthersee fahren hat lassen und sich seitdem nicht mehr meldet, erklärte sie der Freundin noch, bevor sie die Mail abschickte.
    Von Renate @ Julia
    12:20 Au Mann!
    Womöglich hast du auch noch das Zimmer bezahlt? fragte Renate zurück. Sie schien nicht gewillt zu sein, auch nur ein klein wenig einzulenken.
    Von Julia @ Renate
    12:45 Re: Au Mann!
    Nein, das war für die ganze Woche gebucht und im Voraus bezahlt worden. Hast du die Mails zwischen uns gelesen? Und? Was denkst du?
    Von Renate @ Julia
    12:54 Christoph
    Dass er ein Arsch ist und du auf ihn reinfällst. Er muss tatsächlich gut sein im Bett, wenn du immer noch nicht sehen willst, was er mit dir macht.
    Julia hatte keine Lust mehr, ihr darauf zu antworten. Sie schnappte sich ein Handtuch und lief hinunter zu Gustls Zwinger. Der Hund kam ihr schwanzwedelnd entgegen und lief gleich darauf neben ihr her den Weg entlang zu dem Stückchen Seeufer, das er inzwischen sehr gut kannte.
    Es war ziemlich frisch geworden, seitdem sie nach dem geplatzten Kurzurlaub zum ersten Mal hier entlanggelaufen war, um wieder klar denken zu können. Der Sommer hatte sich gleich darauf ziemlich schnell verabschiedet, das Wasser des Sees war eiskalt geworden. Julia tauchte trotzdem kurz unter, trocknete sich am Ufer ab, stopfte ihre Kleider in eine mitgebrachte Stofftasche, und lief nackt ihre Runde, wie sie es in den letzten Tagen öfter getan hatte.
    Von Renate @ Julia
    21:16 Klarer Kopf
    Du machst was ? Das sieht dir ähnlich.
    Renate antwortete ihr erst spät am Abend, da sie noch Überstunden gemacht hatte. Ihr Job in der Werbeabteilung eines großen Elektrokonzerns forderte ihr gelegentlich die letzen Reserven ab. Trotzdem liebte sie ihre Arbeit und opferte ihr nicht nur viel Kraft und Zeit, sondern auch fast ihr ganzes Privatleben. Gelegentlich schlief sie mit dem Leiter der Security-Abteilung, was jedoch aus Renates Sicht lediglich eine Art Frustausgleich war. Eine Beziehung mit allem, was dazugehört, lag nicht in ihrer Reichweite, wie sie sich