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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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    Die Straßenbahn fuhr bis gegen zehn Uhr abends.
    Benbow war noch klein, aber er hielt nicht viel von Gefühlsäußerungen, und so verlor er den Erwachsenen gegenüber nie ein Wort darüber, wie selig es ihn machte, wenn die Straßenbahn mit lautem Klingeln den Hügel heruntergerasselt kam oder wenn sie langsam und mühevoll bergauf knarrte. Die höchste Wonne war es, wenn eine aus jeder Richtung kam und sie sich genau vor seinem Schlafzimmerfenster trafen und majestätisch aneinander vorüberglitten. Großtante Min hatte ihm erzählt, einmal sei ein Betrunkener vor die Bahn gefallen, da, direkt vor dem Fenster, und die Räder hätten ihm beide Beine abgeschnitten. Es hatte ihn gegruselt, und dann hatte er lange darüber nachgedacht, ob der Mann selber oder ob nur seine Beine unter der Bahn gelegen hatten. Er war noch zu klein, um eine so schwierige Frage in Worte zu fassen. So stellte er sich mal die Beine und mal den Oberkörper des Mannes unter der Straßenbahn vor — wie ein Maler, der ein Bild entwirft -, wenn er zufrieden im Bett lag und draußen die Wagen vorüberfuhren und der Schein der Funken über die Zimmerdecke zuckte.
    In einer hellen Vollmondnacht - «Zeppelinwetter» nannte seine Mutter solche Nächte - hörte er, wie draußen eine Bahn plötzlich bremste und vor seinem Fenster anhielt. Benbow war sofort aus dem Bett und am Fenster. Seine bloßen Füße spürten die Kälte nicht. «Lieber Gott, bitte mach, daß wieder einer drunterliegt», betete er inbrünstig.
    Aber sein Gebet wurde nicht erhört. Die Bahn hatte mit blauverhängten Lampen einfach zwischen den zwei Haltestellen angehalten. Das war noch nie vorgekommen. Und jetzt lief eine junge Frau aus dem Schatten der Häuser auf die Straße, und der Schaffner sprang vom Wagen und küßte sie im hellen Mondlicht. Dann blieb die Frau allein zurück, und die Bahn setzte sich wieder in Bewegung.
    Benbow hatte sich mehr erhofft. Enttäuscht schlüpfte er wieder in sein Bett. Er wunderte sich nur, daß die junge Frau so ausgesehen hatte wie seine Mutter. Natürlich konnte es seine Mutter nicht gewesen sein. Er hatte noch nicht viel Erfahrung, aber er wußte, daß Männer und Frauen einander nur küßten, wenn sie verlobt oder verheiratet waren. Und seine Mutter war seine Mutter und sonst nichts.
    Deshalb dachte er nicht weiter darüber nach.
     
    Sein Vater war ein Foto in einem silbernen Rahmen.
    Das lag am Krieg. Benbow wußte nicht, was das war. Er wußte nur, daß die Erwachsenen immer ein bißchen weinten, wenn sie von Dad sprachen, vor allem Oma, Großtante Min und Tante Edith. Deshalb erwähnte Benbow seinen Vater auch nur, wenn er wirklich in der Klemme war und die Aufmerksamkeit von sich ablenken mußte.
    Er hätte gern mehr gewußt. Aber niemand erklärte es ihm.
    Oma Dorman sagte: «Er gab sein Leben für uns, mein Junge.» Großtante Min murmelte: «Ich denke, er ist vielleicht besser dran als mancher, der zurückgekommen ist.»
    Opa Dorman sagte seufzend: «Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde.»
    Und Benbows Mutter sagte: «So was Dummes - geht hin und läßt sich totschießen. Warum ist er nicht in der Munitionsfabrik geblieben, wie dein Onkel Albert!»
    Aber niemand erklärte ihm, was der Krieg war. Und seine Verwirrung war noch größer geworden, als Großtante Min eines Tages gesagt hatte: «Wenn dein Vater damals nicht aus dem Krieg auf Urlaub gekommen wäre, dann wärst du heute nicht hier.»
    Dann hatte Dad ihn also anscheinend im Tornister aus dem Krieg mitgebracht? Ratlos wandte er sich an seine Mutter. «Mam, Tante Min hat gesagt, ich wär nicht hier, wenn Dad damals nicht auf Urlaub gekommen wäre.»
    Sie sah ihn an mit einem Blick, bei dem ihm bange wurde. «Die arme Alte», sagte sie. «Keine Ahnung hat sie.» (Oh, die Nacht in dem dumpfen kleinen Schlafzimmer, das angstvolle Warten auf die Morgendämmerung, denn am Morgen mußte er zurück in den Schlamm, in die Angst.)
     
Regen, Regen, geh doch wieder,
Komm an Mutters Waschtag wieder.
     
    Die ganze Woche hindurch hatte Benbow das alte Liedchen vor sich hingesummt, wenn er mit plattgedrückter Nase am Fenster stand und den Wolken nachsah, die über die Schornsteine und die grauen Schieferdächer hinwegfegten. Und tatsächlich hing am Montagmorgen der Himmel wie eine nasse graue Decke über den Straßen. Das hieß, daß nachmittags beim Tee der Wäschetrockner vor dem Kaminfeuer stehen und es überall im Hause nach Seife

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