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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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überlegte, wie sie es am besten ausdrücken sollte, »… geradezu abschätzig oder auch entnervt an. Und dann fragte sie: ›Waren wir verabredet?‹ Wissen Sie, man kann das auf unterschiedliche Weise fragen. Bei ihr klang es eher wie ein: ›Was willst du schon wieder hier?‹«
    »Ich verstehe«, bestätigte Hauptkommissar Braun, »Sie meinen, im Grunde genommen hätte sie auch gut auf ihn verzichten können und zeigte ihm das auch.«
    »Ja«, bestätigte sie nachdenklich. »Herr Jensen rechtfertigte sich dann, dass sie nicht angerufen hätte, und da sei er eben vorbeigekommen, sei zufällig in der Gegend gewesen und so weiter. Natürlich wusste Frau Mertens, dass er log und wahrscheinlich seit Stunden auf ihrer Treppe herumsaß. Er sah aus wie ein Schuljunge mit seinen geröteten Wangen und dem zerzausten Haar. Er war so verliebt und so verzweifelt.« Sie schüttelte bei der Erinnerung an die Szene mitfühlend den Kopf.

    Braun fragte sich, ob Frau Leicht selbst Kinder hatte. Sie erzählte die Geschichte von dem jungen Mann wie eine Mutter, die ihren Sohn gern beschützend in den Arm genommen und getröstet hätte.
    »Aber obwohl Sie den Eindruck hatten, dass das mit den beiden nicht lange gut gehen würde«, setzte er seine Befragung fort, »hat sie ihm doch irgendwann offenbar einen Schlüssel für ihre Wohnung gegeben, oder?«
    »Das muss wohl so gewesen sein«, bestätigte sie. »Mich hat es, wenn ich ehrlich bin, gewundert. Ich habe nicht damit gerechnet. Frau Mertens war immer so unstet. Sie ging zum Beispiel häufig mit ihren Freundinnen aus. Das weiß ich, weil sie sich meistens vorher in ihrer Wohnung trafen und dann gemeinsam bestens gelaunt durch das Treppenhaus gackerten. Ich habe sie mal angesprochen, als ich gegen elf nach Hause kam, da waren sie gerade dabei loszugehen.« Braun lächelte ihr aufmunternd zu, und sie fuhr fort.
    »Ich sagte dann so etwas wie: ›Na, um diese Zeit geht unsereins ins Bett, und Sie gehen erst los‹, und die Mädchen haben gelacht. Alle sehr hübsch übrigens«, unterbrach sie sich bei dem Gedanken an die jungen Frauen erneut.
    »Auf jeden Fall hab ich ihm angesehen, dass er stolz war wie Oskar, einen Schlüssel zu besitzen«, griff sie den Gesprächsfaden wieder auf. »Als ich ihn das erste Mal traf und er die Tür öffnete, hat er mich jedenfalls glücklich strahlend angesehen. Wie ein Kind, dem man nach langer Zeit einen Herzenswunsch erfüllt hat.« Sie
seufzte. »Ab dann ging es mit den Streitereien los. Er hat sich wohl dann die große Liebe vorgestellt oder so was. Zusammen aufstehen, zusammen ins Bett gehen, zusammen kochen, eine richtige Beziehung eben.«
    »Und sie ging weiter auf die Piste«, sprach Bendt ihren Gedanken aus. »Kam spät heim, und es gab Krach.«
    Sie nickte, erleichtert darüber, dass man sie so gut verstand.
    »Können Sie zu dem Inhalt der Auseinandersetzungen Genaueres sagen?«, schaltete Hauptkommissar Braun sich wieder ein.
    »Nicht viel«, seufzte Frau Leicht. »Ich hab mir die Decke über den Kopf gezogen und versucht, es zu ignorieren. Aber meistens ging die Streiterei schon im Flur los, weil er sie schon an der Tür empfing. Das war dann nicht zu überhören.« Sie seufzte. »Im Grunde hatte sich für ihn mit dem Besitz des Schlüssels nicht viel verändert. Es ging weiterhin darum, dass er nicht wusste, wann sie ging und wann sie kam. Und es war klar, dass sie fand, dass es ihn auch nichts anging. Ich glaube, sie hat ihn auch ein paar Mal vor die Tür gesetzt. Jedenfalls kam er dann einige Tage nicht. Zumindest stand sein Auto nicht vor der Tür, wo er üblicherweise parkte.«
    »Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?«, fragte Bendt.
    »Am Donnerstag müsste das gewesen sein«, sagte Frau Leicht zögerlich. »Zumindest habe ich ihn da gehört.« Ihr war anzusehen, dass sie angestrengt nachdachte.
»Doch, Donnerstagnacht«, bestätigte sie dann bestimmter. »Es muss so gegen ein Uhr gewesen sein«, nahm sie Bendts nächste Frage vorweg.
    »Frau Mertens polterte wieder mal ziemlich durchs Treppenhaus, das hat mich auch sonst manchmal geärgert. Sie war dann wohl in der Wohnung, und als ich im Bad war, ging das Gezänke los. Ich hab kein Wort verstanden, nur das gestritten wurde. Das ging eine Weile so, und dann ging wohl die Tür auf, und ich hab gehört, dass sie ihn angebrüllt hat.« Sie erhob die Stimme, um das Gehörte zu imitieren. »›Hau doch ab! Ich hab hier keinen Bock mehr!‹«
    Sekunden später erstarrte sie,

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