Eiszart
sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Beschwichtigend hob er die Hände, um das aufgebrachte Publikum zu beruhigen.
»Warum ist der Wolfsmensch von der Bühne gesprungen? Hast du das gesehen, Giffard?«, fragte Beaumont verwirrt.
»Er hat eine Frau angegriffen. Plötzlich ging er auf sie los, ohne ersichtlichen Grund.«
Beaumont blickte zu der jungen Dame, um die sich einige Herren versammelt hatten. Sie war hübsch, hatte jedoch nichts Auffälliges an sich, was einen plötzlichen Übergriff gerechtfertigt hätte. Auch schien sie den Wolfsmann nicht provoziert zu haben, schenkte er ihren Worten, sie habe wirklich nichts getan, Glauben.
»Meine Damen und Herren, es war nicht vorherzusehen, dass so etwas geschehen würde. Ich bitte Sie inständig um Verzeihung.«
»Ich verlange mein Geld zurück, verdammte Gauklerbande!«
»Mit diesem Pack gibt es nur Ärger!«
»Wir verzichten in diesem Fall selbstverständlich auf die Bezahlung. Ihre Eintrittsgelder erhalten Sie an der Kasse zurück.« Er deutete zum gegenüberliegenden Ausgang des Zeltes. Seine Worte beruhigten die Leute recht schnell. Etwas anderes hatte Beaumont von den Menschen nicht erwartet. Die meisten begaben sich zum Kartenverkäufer, um ihr Geld einzufordern, sodass sich eine lange Reihe vor seinem Stand bildete.
»Was machen wir nun?«, fragte Giffard, der mit Beaumont am Bühnenrand stehen geblieben war. »Ich habe keine Lust, mich dort anzustellen. Und von Vorführungen habe ich für heute ebenfalls genug. Wie wäre es mit einem Rotwein in der Taverne für mich und einem Glas Orangensaft für dich?«
»Warte einen Augenblick«, sagte Beaumont und blickte zu dem katzenhaften Gaukler, der von der Bühne sprang und das Zelt verließ. »Ich muss etwas erledigen«, sagte er dann ernst und folgte dem Jüngling nach draußen, wo er ihn jedoch zwischen den Wagen aus den Augen verlor.
»Wo willst du denn hin?«, fragte Giffard, nachdem er Beaumont eingeholt hatte.
»Ich suche etwas Bestimmtes.«
»Und was, wenn man fragen darf?«
Beaumont blickte sich um, ohne Giffard zu antworten. In der hinteren Wagenreihe entdeckte er einen überdachten Käfig. Entschlossen steuerte er darauf zu. Am Boden lagen Stroh und Exkremente, deren Geruch beißend in seine Nase drang und ihn ein Stück zurücktaumeln ließ.
In der Ecke entdeckte er eine zitternde Gestalt, die schwer atmend zwischen verschimmeltem Brot und fauligen Fleischresten kauerte. In diesem Drecksloch wurde nicht etwa ein Tier gehalten, sondern ein Mensch! Und das auf die entwürdigendste Weise, die man sich vorstellen konnte. Die Narben und blutunterlaufenen Striemen am Rücken des Gefangenen zeugten von unentwegt ausgeübter Gewalt. Das Herz schlug Beaumont vor Zorn bis zum Hals. Wie grausam konnte der Mensch sein, dass er für Geld selbst vor der Versklavung seiner eigenen Art nicht haltmachte. Während er noch immer um seine Fassung rang, legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter.
»Was willst du hier? Dieser Bereich ist nicht für die Zuschauer«, erklang eine knurrende Stimme hinter ihm. Als Beaumont sich umwandte, blickte er in das feiste Gesicht des Dickwansts.
»Ich bin Arzt. Lassen Sie mich seine Wunden behandeln, wenn Sie morgen wieder mit ihm auftreten wollen.«
Der Dicke warf einen skeptischen Blick in den Käfig und verschränkte die Arme vor seiner Brust. »Das ist nicht nötig. Es geht ihm gut.«
»Gut nennen Sie das? Er kann in dieser Kiste nicht einmal aufrecht stehen! Seine Wunden müssen gereinigt und versorgt werden!« Beaumonts Stimme überschlug sich vor Wut. Wollte der Kerl ihn für dumm verkaufen? Jeder, der nicht mit Blindheit geschlagen war, erkannte, dass die arme Kreatur litt!
Von Beaumonts Gebrüll angelockt, kamen die beiden anderen Gaukler vom gegenüberliegenden Wagen herbei. Der Jüngling, den Beaumont in Gedanken »Katzengesicht« getauft hatte, knabberte an einer Hühnerkeule und warf den Knochen, nachdem er das Fleisch abgenagt hatte, achtlos durch die Gitterstäbe in den Käfig.
»Gibt es Probleme, Ubaldo?«, fragte er und musterte Beaumont abschätzig.
»Nein, der werte Doktor wollte gerade gehen.«
Beaumont straffte die Schultern. Er durfte nicht zurückstecken, er musste handeln! Er wusste, dass der Wolfsmensch bei dieser menschenunwürdigen Haltung und den ständigen Misshandlungen bald sterben würde. »Ich kann nicht zulassen, dass Sie diesen Mann so behandeln.«
Der Dickwanst lachte. »Was willst du tun, Doktor? Er gehört uns. Und
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