Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
verstärkt.
Narzisstisch strukturierte Personen gibt es häufig in der Führungsebene, wo sie die Macht haben, zu entscheiden, was richtig ist und falsch. Eine andere Meinung anzuhören, sie als Überzeugung des anderen zu akzeptieren, ohne sie wertend gegen sich zu richten, gelingt ihnen fast nie. Nach dem Motto »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich«. Zu welcher Destruktivität eine solche Haltung führen kann, haben wir in den Jahren 2001 bis 2009 unter dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush erleben müssen. Alte Bündnisse wurden bei Meinungsverschiedenheiten aufgekündigt, Gegner versucht zu vernichten, um ihnen die eigene Weltsicht überzustülpen. Es herrschte die Polarisierung in Gut und Böse, die unweigerlich zum Kampf führte. Kompromisse gab es in diesem System ebenso wenig wie Gleichrangigkeit. Es herrschte das Gesetz des sogenannten Stärkeren, der recht hat, weil er den anderen einschüchtert und ihn so zum Schwächeren macht, statt ihn neben sich zu achten.
Das folgende Zitat von Willi über Narzissten klingt wie eine Beschreibung der fanatischen Kämpfer von Al Quaida: »Im messianischen Eifer ziehen Narzissten mit ihren Jüngern quasi in den heiligen Krieg, sie verlangen blinde Ergebenheit und verstehen es, die Gruppenkohäsion hochzuhalten durch ein Feindbild, in das alles Schlechte projiziert wird.« 15 Doch im Grunde gilt diese Aussage für alle, die glauben, andere mit Macht und gegebenenfalls mit Gewalt von ihrer Meinung überzeugen zu müssen. Sie gibt es in der Politik, in der Wirtschaft, in Schulen, in Freundschafts- und Liebesbeziehungen. Ein solcher Kämpfer steckt in jedem narzisstischen Menschen und macht ihn daher für seine Umwelt so schwierig. Denn für den Erhalt des eigenen Selbstwertgefühls ist er sogar bereit, Beziehungen aufs Spiel zu setzen oder zu zerstören.
10. Macht und Unterwerfung
Wirth nennt Narzissmus und Macht die siamesischen Zwillinge: Der eine kann nicht ohne den anderen. Allerdings müssen wir berücksichtigen, dass nicht jede Macht aus einem narzisstischen Motiv erwächst. Eine Chefin beispielsweise hat aufgrund ihrer Position und der damit zusammenhängenden Entscheidungsbefugnis über Bezahlung, Inhalte und Arbeitszeiten Macht über ihre Mitarbeiter. Nicht ohne Grund werden diese auch häufig als Untergebene betitelt. Sie begeben sich unter die Macht des anderen bzw. müssen dies tun. Wie die Macht jedoch gelebt wird, ob autoritär, selbstbezogen oder demokratisch, hängt zum einen von dem umgebenden System ab, zum anderen von der Persönlichkeit des Mächtigen. Da gleichwertige Beziehungen für narzisstische Menschen schwer zu leben sind, können wir davon ausgehen, dass sie ein Machtgefälle herstellen, ein Oben – Unten, ein Macht haben und ein Sich-Unterwerfen. Denn für sie gilt häufig, »... dass gesellschaftliche Macht gesucht wird, um innere Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Minderwertigkeit zu kompensieren.« 16
Doch Macht wirkt nicht nur in der Gesellschaft, in Politik oder in der Wirtschaft, sondern in jeder zwischenmenschlichen Beziehung. Bei der Frage aus Kapitel 9 »Wer hat recht?« spielt Macht ebenso eine Rolle wie bei der Pygmalion-Dynamik im Kapitel 21. Immer dort, wo die Beziehungspartner nicht auf der gleichen Ebene stehen, geht es auch um Macht. Sei es, weil sich einer unsicherer fühlt als der andere oder weil beide um Akzeptanz und Ansehen buhlen. Sie stehen in einem Verhältnis zueinander, in dem dem einen die Macht und dem anderen die Ohnmacht zugeteilt wird. Beziehungsweise der eine nimmt sich die Macht und der andere die Ohnmacht. Denn mächtig kann nur der sein, dem auch die Möglichkeit dazu gegeben ist.
Doch auch die Unterlegenen haben Macht, wenn sie das Verhalten und Befinden der Mächtigen beeinflussen oder manipulieren, wie wir es bei Streiks sehen. Auch in der Therapie erleben wir die Macht der Machtlosen. Wer seine Hilflosigkeit mit allen Mitteln verteidigt, ist so mächtig, dass keine Unterstützung daran etwas ändern kann. Angehörige von depressiven oder suchtkranken Menschen können ein Lied davon singen.
Macht kann verstanden werden als die Möglichkeit und Fähigkeit menschlichen Handelns, gestaltend in den Ablauf von Ereignissen einzugreifen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit über bestimmte Ressourcen wie Geld, Einfluss, Wissen, Informationen, Beziehungen, Schönheit, Infrastruktur u.v.a. 17
Ausgehend von dieser Definition stellt sich die
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