Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Mann nicht gut genug zu sein, verließ sie nie mehr, denn die Aussage der Schwiegermutter bestätigte ihre eigenen Befürchtungen, diesem Mann nicht zu genügen. Das hatte zur Folge, dass sie versuchte, eine perfekte Ehefrau zu werden, indem sie den Haushalt optimal organisierte, die Kinder gut erzog, exzellent kochte und alle Pflichten, die an sie herangetragen wurden, erfüllte. Auch hielt sie alle zusätzlichen Arbeiten von ihrem Mann fern und verwöhnte ihn ein Leben lang. Sie verstand erst in der Therapie, dass sie all das tat, um ihr Minderwertigkeitsgefühl als Frau auszugleichen oder zumindest zu beruhigen. Darüber fand sie jedoch keine Zeit mehr für sich, vergaß geradezu, sich um sich selbst zu kümmern, und wurde immer unzufriedener. Denn ihre Arbeit wurde in ihren Augen nicht geschätzt, sondern als selbstverständlich hingenommen. Bat sie ihren Mann einmal um Hilfe im Garten, so musste sie »ewig« warten, bis er es machte. Oft reichte Isoldes Geduld nicht aus und sie mühte sich dann selbst mit dem schweren Rasenmäher ab, nicht ohne ihm das irgendwann vorwurfsvoll aufs Brot zu schmieren.
Gewohnt, sowohl daheim als auch in seinem anspruchsvollen Job geschätzt und auf ein Podest gehoben zu werden, stellte Konrad das Verhalten seiner Frau nicht infrage. Im Gegenteil, er gab ihr sogar das Gefühl, wertvoll zu sein, wenn sie seinen Erwartungen entsprach und ihm sein Idealbild bestätigte: das Bild eines Mannes, vor dem andere zittern und dessen Wort etwas gilt. Er ließ ungern eine andere Meinung gelten und war zufrieden, wenn es so lief, wie er es sich vorstellte. Bestätigte sie seine Vorherrschaft, wurde sie mit Harmonie und lieben Worten belohnt. Dass Isolde womöglich Wünsche an ihn hatte oder mit vielem nicht einverstanden war, wurde nicht thematisiert. Sie fühlte sich ihm gegenüber zu minderwertig, um ihre Position zu vertreten. Ihre Impulse, Fähigkeiten, Stärken und Wünsche kontrollierte sie, indem sie sie verdrängte und versuchte, sich immer mehr an einem fremden Bild von sich zu orientieren, das mit ihr nur wenig zu tun hatte. Abwertungen, Nachlässigkeiten oder sogar Unverschämtheiten ihres Mannes nahm sie entweder nicht wahr oder definierte sie um als Ausdruck seines beruflichen Stresses oder ihrer Minderwertigkeit. Indem sie ihm recht gab, verlor sie den Rest ihrer Selbstachtung.
Die Ventile ihrer inneren Spannung und ihres Konflikts waren Krankheiten und Verweigerung. Sie litt an verschiedenen Schmerzzuständen, Allergien, Herz-Rhythmusstörungen und orthopädischen Rückenproblemen. Diese Erkrankungen gaben ihr die Möglichkeit, sich zu verweigern, wenn ihr Mann verreisen wollte oder sonstige Unternehmungen vorschlug. Im Grunde drückte ihr Körper das Nein aus, das ihr durch sein »expanded self« verweigert wurde. Sie hatte seine Definition übernommen und die hieß, alles klaglos hinzunehmen. Sie fühlte sich zwar durch ihn manipuliert und beeinflusst, hatte aber den Eindruck, ihn mit ihrer Sicht der Dinge nicht zu erreichen. Als wüsste er schon im Vorhinein, dass sie sich beschweren will, hörte er ihr deshalb gar nicht erst zu. Konrad wurde in dieser Beziehung zum Sender, von dem alle Informationen und Definitionen ausgingen, und sie wurde zum Empfänger, der alles aufnahm. Die Richtung der Beeinflussung war eindimensional von ihm zu ihr. In ihrem Fall war Konrad derjenige, dessen »expanded self« aktiv wurde, und Isolde die, die sich passiv in seinem einfand. In der Beziehung zu ihren Kindern dagegen war sie es, die ihr »expanded self« über sie ausbreitete.
Im Laufe der Jahre fühlte sich Konrad immer mehr im Recht und identifizierte sich mehr und mehr mit seinem Idealbild. Isolde dagegen wurde immer unzufriedener und kränker, bis sie sich eines Tages entschloss, eine Therapie anzufangen: »So will ich nicht weiterleben«, war ihre Antwort auf meine Frage, was sie in der Therapie wolle. Konrad hatte anfänglich keine Motivation, etwas an sich zu verändern, denn er sah die ganze Schuld bei ihr. Er bat um eine Einzelsitzung bei mir, die er jedoch nicht dafür nutzte, um etwas über sich selbst herauszufinden, sondern um mir die Wahrheit über Isolde zu erzählen, die sie mir bestimmt verschweige oder falsch darstelle. Es war sehr spannend, seine Version zu hören, und es wäre hilfreich gewesen, wenn sich beide als Paar darüber ausgetauscht hätten. So aber versuchte er, mich in sein »expanded self« zu verstricken, sozusagen als seine Komplizin, die seine
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