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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Wardetzki
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Definition der Dinge übernimmt und die er lobt, sobald ich ihn bestätige.
    Die Falle beim »expanded self« ist die Verführung, das eigene Selbstwertgefühl zu erhöhen, wenn ich auf das von ihm gesteuerte Spiel eingehe. Durch seine Bestätigung fühle ich mich als Therapeutin aufgewertet, muss mich aber dafür ihm anpassen. Das geschieht in der Regel dann, wenn ich mich unsicher fühle. Indem ich mich ihm unterordne und dadurch seine Zustimmung erhalte, kann ich mich in meiner Arbeit wieder sicher fühlen. Im Kontakt mit narzisstisch strukturierten Menschen passiert eine solche Verunsicherung leicht, weil sie es schaffen, dass sich ihr Gegenüber in ihrer Gegenwart unterlegen und minderwertig fühlt. Vor allem, wenn sie als Mann einer weiblichen Therapeutin gegenübersitzen, versuchen sie, die dominierende Position einzunehmen. Das tun sie, indem sie zum einen alle Probleme von sich weisen (ich bin nicht krank, meine Frau ist es), und zum zweiten mir vermitteln, dass sie sowieso alles schon wissen und im Grunde nur da sind, um mich zu unterstützen.
    An diesem Punkt muss ich als Therapeutin achtsam sein, denn ich könnte in eine sogenannte Double-bind-Situation geraten. Der Begriff stammt von Gregory Bateson und beschreibt eine Situation, in der man es nie richtig machen kann, egal, was man tut. Fühle ich mich ihm also unterlegen, dann erfülle ich zwar seine Erwartung und entspreche seiner Definition als einer, der er etwas beibringen muss. Zugleich aber widerspräche es dem Bild der Therapeutin, die kompetenter sein sollte als der Laie. Bin ich also inkompetent, ist es nicht richtig, weil es dem Bild der Therapeutin widerspricht, und er könnte mich deshalb abwerten. Bin ich dagegen kompetent, widerspricht es seiner Definition von mir und könnte schnell in einem Machtkampf enden, weshalb er mich dafür abwerten könnte. Wie ich bin, ist es also falsch.
    Wenn ich jedoch bei mir bin, mich so lasse, wie ich bin, und ihn auch sein lasse, wie er ist, ihm zuhöre, ihn ernst nehme und mit der entsprechenden therapeutischen Distanz auf ihn reagiere, dann kann Kontakt entstehen. In diesem Fall höre ich mir an, was er mir über seine Frau erzählt, frage nach und versuche herauszufinden, wie es ihm geht. Ich bleibe so neutral wie möglich und schlage mich weder auf seine Seite noch auf die seiner Frau, sondern lasse beide Realitäten nebeneinander stehen. Dadurch entsteht zumindest eine Begegnung, die von Achtsamkeit und Achtung geprägt ist. Achtsamkeit für mich selbst und Achtung für ihn und seine Manöver, sich zu schützen.
    Die Macht dessen, der aktiv ein »expanded self« mit dem anderen herstellt, liegt in der Möglichkeit, sich selbst und den anderen zu definieren und die Beziehung nach den eigenen Regeln zu gestalten. Der passive Teil ist der, der sich unterwirft, der die Definition des anderen annimmt und sich danach verhält. Der Narzisst ist der, der aktiv ein »expanded self« herstellt, der Komplementärnarzisst nimmt die passiv aufnehmende Rolle ein.

11. Im Bann des fremden Selbst
    Doch was macht es so attraktiv, auf dieses Spiel einzugehen, sich der Definition des anderen zu unterwerfen? Vielleicht ist die Frage so gar nicht richtig gestellt, denn im Wesentlichen läuft der Prozess der Selbstausdehnung unbewusst ab. Die Rolle, wer der Aktive ist, der definiert, und wer der Passive ist, der sich anpasst, wird meist schon in den ersten Sekunden verteilt.
    »Ich besuchte Freunde auf dem Land, wo wir als Gruppe einige Tage Urlaub machen wollten. Zum Teil kannten wir uns schon lange, zum Teil noch gar nicht. Allmählich trudelten die restlichen Personen ein, bis nur noch Eberhard fehlte. Als wir uns das erste Mal begegneten, war es schon dunkel. Keiner konnte den anderen richtig erkennen, denn es war Nacht. Er saß im Auto, ich stand draußen. Durch die offene Scheibe reichte er mir die Hand und sagte: ›Ich bin Eberhard und du?‹ Obwohl weiter nichts vorfiel, wusste ich, dass ich in Gegenwart dieses Menschen um mein Überleben kämpfen musste. Nicht das körperliche, sondern das seelische. Es war, als hätten wir uns erkannt, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Ich fühlte mich abgelehnt, entwertet, nichtig, klein, unbedeutend. Als würde ich nicht mehr existieren und er habe alle Macht, mich glücklich oder unglücklich zu machen. Wenn ich mich mit seinen Augen sah, war ich ein Häufchen Elend, eine verunsicherte Frau, die nichts von sich hielt und ihm nichts entgegensetzen konnte. Ich war

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