Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
hauptsächlich darauf, ob wir kompetent genug sind und unser Gegenüber ernst nehmen.
Der beste Umgang mit diesen Tests ist beispielsweise, die Äußerung des Klienten ernst zu nehmen und sachlich darauf zu reagieren. »Können Sie überhaupt mit so schwierigen Klienten umgehen, wie ich einer bin?«, ist ein Testsatz. Die Antwort könnte lauten: »Ja, ich habe schon mit vielen Klienten Ihrer Art gearbeitet. Aber machen Sie Ihre eigene Erfahrung und dann entscheiden wir nach fünf Stunden, ob Sie hier profitieren können oder nicht.« Sobald wir in der Testfrage eine mögliche Infragestellung unserer Kompetenz hören und ärgerlich oder gekränkt reagieren, geraten wir in einen zerstörerischen Kampf, an dessen Ende der Wunsch steht, die Therapie nicht weiterzuführen. Selbst bei Abwertungen gilt es, souverän zu bleiben, sich aber auch klar dagegen abzugrenzen. Denn auch von Klienten ist zu erwarten, dass sie zumindest einen mitmenschlichen Umgangston wählen.
Die hier aufgezählten Vorgehensweisen sind auf Therapeuten zugeschnitten, jedoch gelten sie auch für »private« Beziehungen. Sicherlich hilft die professionelle Rolle, narzisstische Verstrickungen schneller zu erkennen und ihnen auszuweichen. Dennoch ist es ebenso auch in Paarbeziehungen, Freundschaften oder Nachbarschaftsbeziehungen nicht ratsam, in die narzisstische Dynamik einzusteigen. Das gelingt Ihnen umso besser, je sicherer Sie sind. Die Definition des anderen abzuwehren gelingt eher, wenn Sie sich klar über sich sind, was Sie wollen und nicht wollen, was Sie können und nicht können. Verunsichert werden wir meist an den Stellen, an denen wir den Kontakt zu uns verloren haben. Aus Unsicherheit resultieren Machtkämpfe und Angriffe, um sich zu stabilisieren. Eine Einigung oder ein Sich-Verstehen wird dadurch verhindert. Und so kann es dazu führen, dass jahrelange Prozesse um das Fallobst in Nachbars Garten geführt werden, nur um nicht Gefahr zu laufen, unterlegen zu sein.
27. Was hilft?
Ko-evolution
Unter dem Begriff Ko-evolution beschreibt Willi die »gegenseitige Beeinflussung der persönlichen Entwicklung von Partnern, die zusammenleben.« 50
Ko-evolution ist eine »gesunde Form des Zusammenlebens«, die durch eine Kollusion, also das gemeinsame Konfliktthema des Paares, gestört wird. In narzisstischen Beziehungen dreht sich der Konflikt, wie ich in Kapitel 7 beschrieben habe, um die Frage, ob man sich in der Beziehung für den anderen aufgeben muss, oder ob jeder er selbst bleiben kann. Müssen die Partner in bestimmter Weise sein, um das Selbstwertgefühl des anderen aufzubauen, oder dürfen sich beide abgrenzen und eigenständig sein?
Ko-evolution ist ein Prozess, den die Partner vollziehen müssen, natürlich auch dann, wenn sie in ihrer narzisstischen Dynamik verfangen sind. In der Silbe »Ko« ist das Beiderseitige, Gemeinsame benannt, das zur Beziehungsentwicklung gehört. Einer allein kann das narzisstische Beziehungsdefizit nicht kompensieren. Je bindungs- und selbstsicherer die Partner sind, umso leichter wird es dem Paar fallen, sich gemeinsam positiv zu entwickeln. Je narzisstischer sie sind, umso schwieriger wird es. Dennoch haben sie eine Chance, wenn beide die Beziehung erhalten oder aufbauen wollen.
Ko-evolution in narzisstischen Beziehungen heißt, das eigene Selbstwertgefühl und die eigene Autonomie in der Beziehung auf eine Weise zu stärken, die die Partner nicht einschränkt, sondern bereichert. Das bedeutet, sich gegenseitig im anderen spiegeln zu können, bestätigt zu werden als der, der man ist, als ein wertvoller und liebenswerter Mensch. Die Erfahrung, geachtet zu werden, für den anderen wichtig zu sein und gebraucht zu werden, führt zu einer verlässlichen Bindung. Dazu gehören ebenso Vertrauen, Akzeptanz, Ehrlichkeit, Rücksicht und Kompromissbereitschaft. Auseinandersetzungen, die auch zu einer gelungenen Partnerschaft gehören, erfordern Konflikt- und Dialogbereitschaft. Für Narzissten zum Teil Neuland, aber erlernbar, am besten mit therapeutischer Hilfe.
Psychotherapeutische Unterstützung
Im Laufe der Jahre kann der Leidensdruck in einer narzisstischen Beziehung so groß werden, dass einer von beiden Partnern psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nimmt. In der Regel ist es derjenige, der unter der grandiosen Partnerin/dem grandiosen Partner leidet, also der Komplementärnarzisst oder die Komplementärnarzisstin. Sie erhoffen sich nicht nur Rat für sich selbst, sondern vor allem für die
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