Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
diese Rolle zu erfüllen. Die Therapeuten konfrontieren nicht und werden nicht unbequem. Und die Klienten machen alles mit, was wir anbieten, und versuchen, uns zu gefallen, indem sie schnelle Veränderungen vorweisen, die jedoch mehr auf Anpassung als auf einer wirklichen Wandlung beruhen. Dass dieser Pakt zwar bequem, aber wenig effektiv ist, ist einleuchtend.
Er beinhaltet aber auch eine Verführung, denn die Aufwertung, die wir erfahren, spricht die grandiose Seite unseres eigenen Narzissmus an. Gehen wir jedoch darauf ein, sitzen wir in der Perfektionsfalle. Wir müssen dann immer die perfekten Therapeuten im Sinne der Klienten sein. Das kann bedeuten, dass wir nie etwas vergessen dürfen von dem, was sie uns erzählt haben, dass wir nie Zweifel an ihnen haben oder sie kritisieren dürfen. Wir können uns noch so anstrengen, wir werden diese Aufgabe nicht erfüllen, weil wir nicht perfekt sind. Im Gegenteil, am Ende wird die therapeutische Beziehung sogar darunter leiden, weil wir durch irgendetwas den anderen enttäuschen. Und so schnell, wie sie uns auf den hohen Sockel gestellt haben, werden sie uns wieder hinunterstoßen, wenn wir uns als ebenso fehlerhaft erwiesen haben wie alle anderen Menschen in ihrem Leben. Für die Therapeuten kann eine solche Situation sehr schmerzhaft und beschämend sein, denn genau diesen Ausgang wollten sie um jeden Preis vermeiden. Und unsere Fehlbarkeit wird die egozentrische Haltung und das Misstrauen des Klienten bestätigen.
Natürlich können wir Enttäuschungen auf Seiten der Klienten nicht verhindern. Ich habe jedoch gute Erfahrungen damit gemacht, die Themen Erwartungen an mich als Therapeutin, Verantwortung für die Therapie und Enttäuschungen relativ früh anzusprechen.
Ein Klient von mir antwortete auf meine Frage, was er von mir erwarte: »Sie müssen mich immer verstehen.« Als junge Therapeutin hätte ich vielleicht versucht, diese Erwartung zu erfüllen, um dem Bild einer guten Therapeutin zu entsprechen. Und gute Therapeuten wollen wir doch alle sein. Ich hatte jedoch schon negative Erfahrungen mit solchen Verführungen gemacht, sodass ich erwiderte: »Ich werde versuchen, Sie zu verstehen, aber es wird mir vermutlich nicht immer gelingen. Wollen Sie trotzdem bleiben?« Ja, er wollte. Das Nicht-Verstanden-Werden bzw. die Angst davor waren zentrale Themen von ihm. Sie konnten nun ohne Erwartungsdruck und unterschwellige Drohung, sonst die Therapie abzubrechen, bearbeitet werden.
Für eine gelingende therapeutische Beziehung ist es vonnöten, dass auch wir Therapeuten uns mit unseren narzisstischen Anteilen auseinandersetzen. Denn wenn wir gekränkt reagieren, weil die Klienten keine Fortschritte machen und dadurch unsere Kompetenz nicht bestätigt wird, könnte daraus eine Ausbeutungsdynamik entstehen nach dem Motto: Du musst gesund werden, damit ich als guter Therapeut dastehe. Das hieße, wir machen unseren Wert vom Verhalten der Klienten abhängig, was nicht sein darf.
Da die narzisstische Thematik sowohl eine Selbstwert- als auch eine Beziehungsstörung beinhaltet, ist die Kontaktebene zwischen Klienten und Therapeuten ganz wesentlich. In der therapeutischen Situation zeigen sich alle Schwierigkeiten, die Menschen auch in ihrem »normalen« Leben haben, allerdings wie unter einem Vergrößerungsglas. In der Therapie besteht der Vorteil darin, diese Schwierigkeiten offenzulegen und zu bearbeiten. Die therapeutische Beziehung ist ein Modell, in dem neue Beziehungsfähigkeiten entwickelt werden und störende Verhaltensweisen und Einstellungen verändert werden können. Das Aufdecken der Erwartungen an mich als Therapeutin und an sich selbst als Klienten gehört ebenso zum Aufbau einer therapeutischen Beziehung, wie die Verteilung der Verantwortung und die Frage, wie vertrauenswürdig der Kontakt zwischen uns ist.
Die Arbeit mit narzisstischen Menschen erfordert aufgrund ihrer hohen Kränkbarkeit eine ständige Balance zwischen Halten und Konfrontieren. Auf der einen Seite bieten wir die tragende Hand, die Unterstützung, auf der anderen Seite bieten wir die Wand, die Grenze, die Konfrontation. Wandlung beinhaltet das Erfahren einer Wand 48 , das bedeutet ein Innehalten, nicht einfach so weiterzumachen wie bisher. Unsere Rückmeldungen darüber, wie wir den anderen erleben, was hinderlich im Kontakt ist und welche Kontaktvermeidungsstrategien wir registrieren, sind wertvolle Informationen für unser Gegenüber, die sie in anderen Beziehungen meist nicht
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