El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
ansprach und mir mitteilte, er wisse von jemandem, der Chapo kenne.
Um halb acht am nächsten Morgen traf ich mich am Stadtrand von Badiraguato mit Carlos. Wir saßen auf der Terrasse eines kleinen eingeschossigen Häuschens, von der man die ganze Pracht der Sierra überblicken konnte. Dort oben befanden sich Drogen im Wert von Millionen, vielleicht sogar Milliarden.
Die Berge von Sinaloa sind voller potenzieller Verstecke, wenn man denn überhaupt hingelangt. Versteckte Landebahnen und eine Flotte von Privatflugzeugen und Helikoptern haben Chapos Fluchten um einiges einfacher gemacht.
Badiraguato ist zweifelsohne der letzte Außenposten der Zivilisation, ehe man Chapo-Land betritt. Von der Stadt aus ist es eine fünfstündige Fahrt über steile, gewundene Schotterwege, ehe man La Tuna und die anderen Weiler erreicht, in denen er zu Hause ist. Wenn nicht schwere Regenfälle, meist zwischen Juni und September, die Straßen unpassierbar machen, stößt man allerorten auf Straßensperren des Militärs. 14
Dieser Landstrich wird auf merkwürdige und oft bedrohliche Weise gleichermaßen vom Gesetz und von den Gesetzlosen beherrscht. Nicht nur die Armee, auch Chapos Truppen haben Checkpoints errichtet, und letztere sind bei weitem die
gefährlicheren. Denn die Gatilleros, die Revolvermänner, stellen keine langen Fragen. Sollte doch einmal ein Fremder weiter in diese abgelegene Gegend vordringen, als es ratsam ist, neigen sie dazu, sofort zu schießen. 15
Ich traf Omar Meza, einen Mittdreißiger und Bürger Badiraguatos, während der Feiern zum Unabhängigkeitstag in der Stadt. Ich wollte mehr über den Drogenhandel in der Gegend wissen und, wie ich ihm sagte, auch die Umgebung erkunden, in der Chapo sein Unwesen treibt.
Meza, dem der Spitzname »El Comandante« anhaftet, war damit einverstanden, mir die Gegend zu zeigen. Er ist stolz auf seine Heimat, gleichzeitig aber intelligent und aufrichtig genug, die Gewalt und den Drogenhandel nicht zu verleugnen. Er würde einen guten Führer abgeben.
Während Meza und ich durch den Teil der Sierra kurvten, der mit einem gewöhnlichen Fahrzeug noch zu bewältigen ist, veränderte sich, je höher wir kamen, die Vegetation. Kiefern traten an die Stelle des bislang vorherrschenden Buschwerks. Es gab auch keine richtigen Ortschaften mehr, allenfalls einige Siedlungen und Gehöfte beidseits der Straße. Sie lagen am Flussufer und vielleicht acht Kilometer auseinander. Einer der Weiler war erst im Jahr zuvor aufgegeben worden, nachdem fast alle Bewohner der Gegend bei einem stundenlangen Feuergefecht ums Leben gekommen waren. Wir fuhren an den verlassenen Häusern vorbei, ärmlichen Holzhütten mit Wellblechdächern.
Als wir um eine Kurve kamen und vorsichtig dem Geröll eines kürzlichen Erdrutsches auswichen, entdeckte ich einen bewaffneten Mann, der in einer Ausbuchtung stand, die man in den Berg geschlagen hatte und von wo aus man die Straße überblicken konnte. Meza hätte mir gerne noch mehr von der Gegend gezeigt, aber nachdem ich ihn auf den Bewaffneten aufmerksam gemacht hatte, entschied er, dass es besser sei, sofort umzukehren.
»Sie sehen es nicht gern, wenn wir hier hochkommen.«
Meza ist sich der möglichen Konsequenzen bewusst, wenn man sich in fremdes Gebiet vorwagt. Einige Wochen zuvor war ein ebenfalls aus Badiraguato stammender Freund von ihm in Ciudad Juárez an der US-amerikanischen Grenze ermordet worden. Der Freund war aus Mangel an anderen Beschäftigungsmöglichkeiten ins Drogengeschäft eingestiegen und nach Ciudad Juárez gekommen, um für Chapo etwas zu erledigen. Nur dass die Grenzstadt nicht zu Chapos Territorium zählte, der Sinaloenser Drogenbaron sie sich aber seinem Imperium einverleiben wollte. Und so zählte Mezas Freund bald zu den Gefallenen des Krieges.
Seine Mörder schnitten ihm Arme und Beine ab und hackten sie in kleine Stücke. Die Behörden besaßen immerhin die Güte, die Überreste nach Badiraguato zu schicken, wo sie ordentlich beerdigt wurden.
Den jungen Männern aus Badiraguato bleibt faktisch keine andere Wahl, als sich als Narcos zu verdingen, denn die Stadt bietet nur etwa eintausend Arbeitsplätze. Außerhalb der Stadtgrenzen gibt es kaum mehr als Marihuanaplantagen sowie Heroin- und Meth-Küchen. Nur ein paar wenige Glückspilze finden in der Regionalverwaltung oder im Gesundheits-und Bildungswesen eine Stelle. Manche ziehen ins nahe gelegene Culiacán, aber die meisten bleiben in Badiraguato und landen im
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