El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Drogengeschäft.
Carlos, der ebenfalls aus Badiraguato stammt, hatte auf Lehramt studiert, konnte aber keine Stelle finden. Also wandte er sich an die Drogenbosse. »Alles und jeder ist hier im Drogengeschäft«, sagte er, und seine Augen verschleierten sich.
Man schätzt, dass 97 Prozent der Bevölkerung der Region auf die eine oder andere Art im Drogengeschäft tätig sind. Angefangen bei den Bauern und ihren Familien, die – die Kinder eingeschlossen – Opium und Marihuana anbauen, über die jungen Männer, die als Revolvermänner, Fahrer und Piloten
arbeiten, bis hin zu den Politikern und den Polizisten ist nahezu jeder in den Drogenhandel verwickelt. 16
Die Bewohner von Culiacán sprechen von Badiraguato, als sei es der letzte Ort der Welt, den sie aufsuchen wollen. Manche, die Neugierigeren, geben immerhin zu, dass sie gerne wüssten, was »da draußen« vor sich geht, würden aber nie selbst hinfahren.
Ich konnte ohne größere Zwischenfälle mit dem Bus von Culiacán nach Badiraguato fahren. Die glühende Luft blies durch die offenen Fenster des Zwanzigsitzers herein. Und von den anderen Fahrgästen erntete ich ein paar neugierige Blicke. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein Gringo oder überhaupt ein Ausländer mit dem Bus in die Berge fährt, und die Ortsansässigen begegnen allen Städtern für gewöhnlich mit Misstrauen. Doch wie gesagt, die zweistündige Fahrt verlief ohne Zwischenfälle.
Als ich in Pericos umsteigen musste, sah ich, wie ein kräftiger Mann, der einen Cowboyhut trug und vielleicht Mitte vierzig war, zu einer Telefonzelle ging. Vielleicht ein Informant, vielleicht aber auch nur jemand, der telefonieren musste.
Als ich endlich aus dem Bus stieg, war ich schweißgebadet, nicht jedoch von der Anspannung, denn draußen waren es 32 Grad. Wenigstens hatte die Luftfeuchtigkeit abgenommen, seit wir Culiacán und die Küste hinter uns gelassen hatten.
Ich ging durch die Stadt zum Zócalo, dem zentralen Platz fast aller mexikanischen Städte, und wandte mich direkt an das Büro des Bürgermeisters im Palacio Municipal, der auf der Südseite direkt gegenüber der Kirche liegt. Ich war bereits einmal unangemeldet in der Stadt gewesen, aber dieses Mal dachte ich, es sei angebracht, die Behörden über meine Anwesenheit zu informieren. Ich ging die Stufen zum Bürgermeisteramt hinauf, die Tür stand offen, daneben lehnte ein
Polizist an der Wand, der in der Nachmittagshitze vor sich hin dämmerte. Ich ging hinein.
»Schon merkwürdig, dass es Sie nach Badiraguato verschlagen hat«, bemerkte der Sekretär des Bürgermeisters und musterte mich, als wir in seinem kargen Büro direkt hinter dem Eingang Platz nahmen. Aus dem Büro des Bürgermeisters, das gegenüber lag, drang Gelächter.
Wieder so ein investigativer Journalist, der auf der Suche nach Chapo ist, etwas über das organisierte Verbrechen in der Region herausfinden möchte und sicher auch entgegen aller Wahrscheinlichkeit hofft, ein Interview mit dem Mann selbst zu bekommen. Natürlich indem er den Eindruck erweckt, er wolle die positiven Seiten dieser berüchtigten Gegend hervorkehren, wenngleich ihn, wie alle anderen, die mystische Aura dieser Brutstätte der Gewalt und des Verbrechens angelockt hat.
Badiraguato war noch nie so berühmt wie heute. Die Stadt, deren Name »Gebirgsbach« bedeutet, liegt nach wie vor abseits der ausgetrampelten Touristenpfade, und nur wenige Besucher verirren sich hierher. Die meisten Ortsansässigen machen aus ihrem Missfallen über die Aufmerksamkeit, die Chapo und der Drogenkrieg auf ihre Heimat lenken, keinen Hehl. Nun haben wir einen schlechten Ruf, den wir nicht mehr loswerden, sagen sie. Dennoch sind nur wenige bereit, offen über den Drogenbaron zu sprechen, das Thema ist tabu, es ist zu gefährlich. 17
Noch 2005 leugnete ein Volksvertreter jegliche Kenntnis des Problems: »Wir haben nicht die geringste Ahnung, ob dieser berühmte Chapo überhaupt existiert.« 18
Nichtsdestotrotz zeigte sich der Sekretär des Bürgermeisters von seiner gastfreundlichsten Seite. Er bedankte sich für meinen Besuch und gab mir auf die freundliche, traditionelle mexikanische Art zu verstehen, dass »er mir zu Diensten« stehe.
»Schon merkwürdig, dass es Sie nach Badiraguato verschlagen hat.« Martín Meza Ortiz, der Bürgermeister oder Presidente Municipal, klang wie ein Echo seines Sekretärs, als er mich kurz darauf mit einem misstrauischen Lächeln empfing.
Doch als ich ihm erläuterte, dass ich mich
Weitere Kostenlose Bücher