Im Dunkel der Nacht (German Edition)
1
Wer auch immer dieser arme Kerl gewesen sein mochte, tot war er seit Langem. Alles, was Sergeant Zach McKnight vom Sacramento Police Department am Boden des Lochs erkennen konnte, waren Knochen und Haarbüschel, die von ein paar Stofffetzen zusammengehalten wurden. Verflucht, war das ein Trikot der San Francisco 49ers? Von denen hatte er seit 1989 keines mehr gesehen.
Dieser Fall war nicht nur ungeklärt. Er war verdammt noch mal unheimlich.
Sein Partner, Frank Rodriguez, trat neben ihn an den Rand der Baugrube. »Ich denke, die ersten achtundvierzig Stunden sind definitiv vorbei.«
»Mensch, Frank, woran hast du das gemerkt? An der fast vollständigen Verwesung? Oder an den verrotteten Klamotten?« Zach schlitterte am Rand der Aushebung nach unten und kauerte neben der Leiche, die auf einer zerrissenen schwarzen Plastiktüte im Dreck lag. Das rot-goldene Trikot war feucht vom Morgentau, der auf den freiliegenden Knochen glänzte. Eindeutig ein Fall von Leichenentsorgung. Auf keinen Fall war dieses Skelett in dieser Grube beerdigt worden. Jemand hatte es hierher gebracht.
»Ich bin für die Verwesung. In dem Zustand sind sie meistens tot.« Frank zog den Kragen seines Mantels über die Ohren. Es war kühl so früh am Morgen.
Um sie herum durchkämmten Kriminaltechniker die Gegend. Sie sammelten Schmutzpartikel, die am Ende vermutlich nichts ergeben würden und doch gesammelt und katalogisiert werden mussten. Außerhalb der Absperrung lungerten die Bauarbeiter herum und versuchten in Erfahrung zu bringen, ob sie den Tag nun unerwartet freinehmen konnten oder nicht. Uniformierte Polizisten stellten Fragen und suchten in der versammelten Menschenmenge nach bekannten Gesichtern.
Zach untersuchte die Gebeine. Die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas Hilfreiches finden würde, lag zwischen verschwindend gering und null, doch in diesem Job ging es zu achtzig Prozent darum, die Vorschriften zu befolgen, und zu zwanzig Prozent darum, etwas zu verändern. An
guten
Tagen. »Wer hat ihn gefunden?«
»Der Vorarbeiter.« Frank stieg langsam in die Grube hinab. »Er schwört beim Grab seiner Mutter, dass die Leiche gestern Abend noch nicht da war. Also peng! Sie muss auf magische Weise über Nacht erschienen sein.«
»Auf magische Weise? Das hat er gesagt?« Zach sah mit zusammengekniffenen Augen auf. Hatte er hier etwa in die Scheiße gegriffen? Satanisten, die Leichen ausbuddeln? Halloween stand vor der Tür, es war also nicht völlig abwegig. Wenigstens sähe er sich dann einem Verbrechen gegenüber, das frisch genug war, um vielleicht noch jemandes Interesse wecken zu können. Hätte sich sonst auch nur irgendjemand um diesen armen Scheißkerl geschoren? Wahrscheinlich hätte Zach schon Glück gehabt, wenn er ihn überhaupt identifizieren konnte.
»Natürlich nicht, ich schmücke das Ganze nur etwas aus, um die Geschichte fesselnder zu machen, Trottel. Er hat auch nicht auf das Grab seiner Mutter geschworen. Reiß dich zusammen, ja?« Frank schob sich einen Streifen Juicy Fruit in den Mund und ging neben Zach in die Hocke. »Wenigstens stinkt er nicht.«
Gott sei Dank! Das fehlende
Eau de Leiche
war so ziemlich der einzige Vorteil, den die Arbeit an einem ungeklärten Fall bot. So ziemlich alles andere daran war zum Kotzen. Die meisten Leute konnten sich nicht daran erinnern, was sie letzten Dienstag gemacht hatten, geschweige denn an irgendeinem Tag vor fünf, zehn oder fünfzehn Jahren. Die meisten forensisch verwertbaren Beweise dürften zusammen mit dem Fleisch des Körpers verrottet sein. »Gibt es hier Überwachungskameras? Wachleute? Irgendwas?«
»Sie suchen die Bänder der Überwachungskameras gerade für mich zusammen. Es gibt einen privaten Sicherheitsdienst, der alle Baustellen im Umkreis überwacht. Ich habe seinen Namen und die Telefonnummer. Uniformen machen immer einen guten Eindruck, auch wenn es hier niemanden zu beeindrucken gibt.«
Stimmt schon. Sie waren inmitten des Stadtzentrums von Sacramento. Hier lebte niemand. Es gab Verwaltungsgebäude, Büros.
Frank schüttelte den Kopf. »Die Leiche ist mit Sicherheit hier abgeladen worden, aber warum nach all den Jahren? Und warum hier?«
Gute Fragen. Zach sah sich um. »Was soll hier eigentlich entstehen?« Es gab nicht mehr viele Baustellen. Niemand hatte das nötige Kleingeld.
»Irgendeine Arztpraxis.«
Logisch. Die einzigen Leute, die dieser Tage das Geld zum Bauen hatten, waren Ärzte.
Zach fiel etwas Glänzendes, noch nicht völlig
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