Elben Drachen Schatten
„Dieses Buch besitzt einen großen Wert sowohl für uns Götter wie auch für die Sterblichen!“
„Was bedeuten die Zeichen, Lari? Lies mir aus den Buch vor!“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann diese Zeichen nicht lesen, Mergun. Niemand kann das mehr. Es ist versäumt worden, sie zu übersetzen und jetzt ist es dafür zu spät.“ Lari zuckte mit den Schultern. „Jene Götter, die es schrieben, sind längst nicht mehr am leben, kein Sterblicher glaubt noch an sie. Dieses Buch ist älter als der älteste unter den Göttern... Ihr seht, um welch gewaltige Zeitspannen es hier geht...“
Mergun zog die Brauen in die Höhe.
„Man sollte dieses Buch verbrennen!“, brummte er.
„Aber bedenkt seinen Wert, Mergun!“
„Wert? Wo ist da ein Wert, Lari? Meint Ihr vielleicht den Wert des Papiers? Und den des Leders, aus den der Einband ist? Das Papier ist zerfetzt und vergilbt und das Leder halb vermodert!“
„Es ist viel mehr, als nur ein Buch. Es ist die Grundlage unserer Kultur, der Ursprung der Geschichte. Es ist eine Art Artefakt geworden!“
Lari nahm ihn wieder bei der Hand und führte ihn weiter durch den Nebel.
„Wir gelangen jetzt zum Wohnsitz der Götter“, erklärte sie. „Der Nebelburg. Kommt, ich zeige sie Euch!“
Sie wollte ihn mitziehen, aber Mergun blieb stehen.
„Als ich von hoch oben - von Kriins Himmelswagen aus - auf diesen Berg blickte, konnte ich nirgends eine Burg - oder etwas Ähnliches - erkennen.“
„Das mag sein. Die Nebelburg ist nicht immer sichtbar. Warum sollte sie auch, schließlich ist sie der Wohnsitz der erhabenen Götter.“
Aber Mergun wollte noch immer nicht mitgehen.
„Ich habe kein gutes Gefühl, Lari.“
„Es ist nicht gefährlich, Mergun! Bestimmt!“
„Es ist stets gefährlich, sich in die Nähe von Göttern zu begeben!“
„Wie könnt Ihr so etwas sagen, Mergun! Seid Ihr nicht selbst ein Gott?“
„Ja, das bin ich, aber früher gehörte ich einmal zu den Sterblichen. Ich kann meine Herkunft nicht vergessen. Ich habe mit dem Schwert gegen die Götter gekämpft, und ich habe zwei von ihnen besiegt!“
„Wenn Ihr denkt, dass Ihr deshalb etwas besonderes seid, dann irrt Ihr Euch. Sehr vielen ging es wie Euch!“
Mergun musterte sie und blickte in ihre braunen Augen, die so warm und wenig göttlich waren.
„Noch seht Ihr sehr menschlich aus, Lari. Aber wie lange noch? Irgendwann werdet Ihr Euch einen Schwanz wachsen lassen oder ein zweites Paar Augen. Oder Euer Charakter wird sich deformieren... Über kurz oder lang werden wir alle wohl zu etwas Kaltem, Nichtmenschlichem - der Kälte der Finsternis zwischen den Sternen verwandter, als den Lebewesen, die dieses Universum bevölkern...“
Lari schwieg einen Moment. Sie schien nicht weiter über diese Angelegenheit sprechen zu wollen und meinte daher unvermittelt: „Kommt jetzt! Ihr habt wirklich nichts zu befürchten. Seid Ihr nicht ein Gott und habt Ihr nicht genug Macht und Stärke, um frei von Angst zu sein?“
Lari zog ihn mit sich und er folgte ihr - wenn auch widerwillig.
Bald darauf tauchte aus dem Nebel die Silhouette einer Burg auf. Es musste die Nebelburg sein, die Residenz der Götter, in vielen Liedern und Sagen besungen und verherrlicht. Aber Mergun hatte nie ernsthaft an ihre Existenz geglaubt. Er hatte sie vielmehr für eine Erfindung der Barden und Geschichtenerzähler gehalten.
Mergun und Lari passierten die heruntergelassene Zugbrücke und das Burgtor. Das Alter dieses Bauwerks war schwer zu schätzen. Vielleicht war es so alt wie die Menschheit selbst und doch zeigte es keine Anzeichen übermäßigen Verfalls. Stolz und arrogant stand sie da! Wie viel Macht war in ihr vereint - und wie viel Ohnmacht...
Mergun liefen Schauder über den Rücken.
Sie gingen zusammen über den Burghof und kamen an Stallungen vorbei. Seltsame, mitunter skurrile Wesenheiten wurden in ihnen beherbergt, wie Lari ihm berichtete: die Reittiere der Götter, darunter die eigenartigsten Monstren. Scheußliche Schreie und Tierlaute drangen an Merguns Ohr.
Dann führte Lari ihn in eines der Häuser. Von außen hatte es schrecklich düster und abweisend ausgesehen. Aber als sie eintraten, war Mergun überwältigt von dem Licht und dem Glanz, der hier zu finden war. Kostbare Gobelins bedeckten die Wände und wertvolle Teppiche den Boden. Die Möbelstücke waren mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Lari bemerkte, wie Mergun stehen geblieben war, um diese Pracht zu bewundern.
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