Elben Drachen Schatten
allem du, Magolas!«
»Weil Vater nach Andirs Rückzug in die Berge von Hoch-Elbiana die Hoffnung endgültig aufgegeben hat, dass er eines Tages willens wäre, das Reich zu führen?«
»Er hat versprochen, im Notfall zur Verfügung zu stehen, Magolas.«
»Ja, im Notfall … Aber wäre er dazu in der Lage? Weilt sein unbefleckter Geist nicht längst in einer anderen Sphäre? Gebt Euch keinen Illusionen hin, Mutter. Was Andir betrifft, tut Vater dies gewiss auch nicht.«
»Umso wichtiger bist du für ihn, Magolas. Und zwar gerade jetzt, da das Reich bedroht ist wie vielleicht nie zuvor. Ich spüre es. Ich wusste es in dem Moment, als ich erwachte und Vater nicht neben mir lag und … Aber was rede ich! Du selbst hast dem Axtkrieger gegenübergestanden und kannst die Gefahr mindestens ebenso erahnen wie ich. Es wäre ein Verbrechen am Reich und am Volk der Elben, würdest du deinen Vater jetzt im Stich lassen!«
»Davon habe ich nie gesprochen!«, entgegnete Magolas hart.
»Dann darf ich beruhigt sein?«, fragte Ruwen.
Eine Pause entstand. Eine Pause, deren Dauer um eine Nuance zu lang war, als dass die Antwort noch wirklich überzeugend hätte wirken können.
»Ihr dürft«, behauptete Magolas.
Eines Tages begab sich Magolas auf einen Ritt in die Berge Hoch-Elbianas. Sein Ziel war jener Ort, an dem Brass Elimbor gestorben war.
Unterwegs traf er einige Angehörige des Schamanenordens der Elben, die sich durch geistigen Kontakt zu ihrem ehemaligen Oberhaupt eine spirituelle Stärkung erhofften. Wie Magolas durchaus wusste, war diese Hoffnung bisher enttäuscht worden. Was ihn selbst dazu trieb, diesen Ort aufzusuchen, wusste er nicht. Er gab damit einem tiefen inneren Bedürfnis nach, das in dem Moment entstanden war, als der Geist von Brass Elimbor während des Kampfes mit den Gnomen des Axtkriegers erschienen war.
Schließlich erreichte er den Ort, an dem sich Brass Elimbor niedergesetzt hatte, um mit Blick auf das neue Land der Elben zu sterben. Sein mumifizierter Leichnam saß noch immer auf derselben Felsenkanzel und schien auf das Elbenreich zu blicken, geschützt durch ein magisches Kraftfeld, das verhinderte, dass sein Körper verweste.
Magolas näherte sich vorsichtig dem so dasitzenden Schamanen. Der Königssohn war zum ersten Mal an dieser Stätte, und er nahm die besondere Aura dieses Ortes in sich auf. Es sah fast so aus, als wäre Brass Elimbor nur in Gedanken versunken und könnte jeden Moment aus seinem Tagtraum erwachen.
Ehrenwerter Brass, was soll ich tun?, formulierte Magolas in Gedanken.
Er erhielt keine Antwort, doch als er wenig später nach Elbenhaven zurückkehrte und das äußere Stadttor hinter sich gelassen hatte, spürte er sofort, dass etwas geschehen war. Die Elben in den Straßen sprachen darüber: Ein Schiff hatte im Hafen der elbianitischen Hauptstadt angelegt. Das allein wäre nicht der Erwähnung wert gewesen, denn jeden Tag legten zahlreiche Schiffe an, zumeist um Handelswaren zu entladen oder aufzunehmen.
Aber das Schiff, das an diesem Tag im Hafen festgemacht hatte, war von ganz besonderer Bedeutung. Es war die »Padrawandil«, was nichts anderes als »Schwert des Meeres« bedeutete, wobei sowohl für den Namensbestandteil »Schwert« als auch für »Meer« Wörter aus der alten Elbensprache Verwendung fanden, die schon seit langer Zeit nicht mehr gesprochen und eigentlich nur noch durch die alten Überlieferungen bekannt waren. Es handelte sich um ein Kriegsschiff, und es war Prinz Sandrilas, der ihm diesen Namen gegeben hatte, in ganz bewusster Erinnerung an die Zeit Athranors, wo er selbst noch geboren worden war.
Als Befehlshaber des Elbenheers hatte der Prinz und fürsorgliche Mentor des Königs in Elbara geweilt und unter anderem die Truppen an der Aratanischen Mauer inspiziert. Truppen, die mittlerweile zum Teil auch aus so genannten Elbareanern bestanden, wie sich die in Elbara siedelnden Menschen inzwischen zu nennen pflegten, während sich für die Elben von Elbara die Bezeichnung Elbaran eingebürgert hatte.
Anstatt auf direktem Weg zurück zur Burg zu reiten, lenkte Magolas sein Pferd zunächst zum Hafen. Sandrilas brachte bestimmt viele interessante Neuigkeiten. Vielleicht hatte er sogar etwas über den verschollenen Lirandil gehört.
Groß und majestätisch lag die »Padrawandil« an der Kaimauer. Sandrilas und sein Stab aus Offizieren des Elbenheers waren bereits an Land gegangen. Der Seeweg war sehr viel schneller, wollte man in die südlichen
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