Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
erblickte, kam sie wortlos zu ihnen geeilt und schloss sich deren Umarmung an. Nach ein paar Augenblicken löste sie sich wieder von ihnen und versuchte, zu ihrer Fassung zurückzufinden, indem sie eine Zeit lang ihr Kleid unnötigerweise glatt strich. Elea und Lyria lösten sich währenddessen ebenfalls voneinander. Belana entgingen Eleas Tränenspuren nicht. Sie sah jedoch über sie hinweg und begann schließlich mit angespannter Stimme zu sprechen.
„ Elea, ich bin froh, dass es Euch wieder gut geht. Gestern glaubte ich schon, Ihr würdet nie wieder aus diesem todesähnlichen Schlaf erwachen. - Wie ich sehe, hat Lyria Euch bereits das Essen und die Kleider für die Reise gebracht.“ Sie machte eine Pause, um tief einzuatmen und ihre Stimme durch ein Räuspern zu festigen. Dann fuhr sie mit ineinander verschränkten Händen und ernstem Ton fort. „Lyria, ich danke dir. Lass mich jetzt bitte mit Elea allein!“ Lyria nickte kurz den beiden Frauen zu und verschwand aus dem Zimmer. Elea beschlich sofort die Befürchtung, dass Belana mit einer wenig erfreulichen Nachricht herausrücken würde.
„ Elea, Ihr habt Euch sicherlich schon gewundert, warum ich heute nicht längst nach Euch gesehen habe. Aber heute früh kam ein Diener von Darrach zu mir und bestellte mir von ihm, dass er Euch heute Abend vor dem Abschiedsessen unter vier Augen in seinem Arbeitszimmer zu sprechen wünsche. Da ich Euch jetzt schon gut genug kenne, weiß ich, dass Ihr gegenüber diesem Mann eine große Abneigung, wenn nicht sogar Angst empfindet – was ich im Übrigen durchaus nachempfinden kann. Deshalb habe ich mich gleich zu König Roghan begeben und ihn gebeten, mir zu erlauben, bei der Unterredung zwischen Euch und Darrach zugegen sein zu dürfen. Ich dachte, dass eine erneute Aufregung nach dem albtraumhaften Erlebnis von gestern zu viel für Euch wäre. Ihr könnt Euch denken, wie vehement ich meinen Standpunkt vor ihm vertreten habe und ich habe mich wieder einmal nicht gerade beliebt bei ihm gemacht, leider ohne Erfolg. Roghan drohte mir sogar, mich vom Schloss zu verbannen, wenn ich nicht damit aufhören würde, mich in seine und Darrachs Angelegenheiten einzumischen. Darrach besteht auf eine Unterhaltung mit Euch - alleine. Es tut mir leid. Ich werde Euch am späten Nachmittag zu ihm bringen.“
Von Eleas Glücksgefühl, das sie nach dem Erwachen überkommen hatte, war mit einem Schlag nicht die Spur mehr übrig. Dafür hatte sie wieder mit einem Knoten in ihrer Kehle zu kämpfen. Sie nickte Belana zugleich verständnisvoll und niedergeschlagen zu. „Danke, dass Ihr Euch beim König für mich eingesetzt habt. Aber eigentlich wusste ich ja bereits, dass es noch zu einem Gespräch unter vier Augen mit Darrach kommen würde. Er hat es mir ja angekündigt. Irgendwie werde ich es hinter mich bringen.“
Belana war schon dabei, Elea zu dem Stuhl vor der Frisierkommode zu bugsieren, als ihr auffiel, dass dieser nicht wie sonst an seinem Platz, sondern zwischen Bett und Fenster stand. „Habt Ihr den Stuhl an das Bett gestellt?“, wollte Belana verdutzt wissen. „Ähm,... nein,... eigentlich nicht. Ich habe mich auch schon gewundert, warum er dort steht“, log Elea mit Unschuldsmiene. „Heute Nacht stand er noch vor der Frisierkommode und ich habe Euer Festgewand über die Rückenlehne gelegt. Seltsam! Ich habe offensichtlich vor lauter Aufregung vergessen, letzte Nacht eure Tür abzuschließen, sonst hätte Lyria auch gar nicht zu Euch ins Zimmer gelangen können.“ Elea spielte die Entsetzte und riss ihre Augen auf. „Aber das würde ja heißen, dass jemand heute Nacht in meinem Zimmer war, als ich schlief!“ Belana versuchte, Elea zu beruhigen. Es sei ja nichts passiert und heute Abend würde sie auf jeden Fall die Tür abschließen. Sie holte den Stuhl und stellte ihn wieder vor die Frisierkommode. Dann schob sie Elea darauf. Während sich Belana um Eleas Haar kümmerte, widmete sich die junge Frau ihrem Essen, allerdings mit deutlich weniger Appetit als noch wenige Augenblicke zuvor. Belana erzählte ihr von den Geschehnissen, die sich von dem Zeitpunkt an ereignet hatten, als sie ohnmächtig wurde. Finlay hatte ihr alles berichtet. Dass die Ankündigung König Roghans nicht die von ihm erhoffte Wirkung unter dem Volk erzielt hatte, habe sie unschwer seiner laut zum Ausdruck gebrachten Wut bei seiner Rückkehr aus der Stadt entnehmen können. Außerdem wurde unter der Dienerschaft viel über den gerade noch verhinderten
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