Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
kuschten seine Opfer, sobald sie ihm gegenüberstanden. Elea war jedoch noch nicht fertig. „Ich werde keinen einzigen Schritt tun! Ihr müsst mich schon durch den Wald schleifen.“ Sie ließ sich unvermittelt auf die Knie fallen, was sie sofort bereute, da der Schmerz in ihrem Knie so sehr aufflammte, dass ihr übel wurde. Sie streckte sich einfach auf dem Bauch liegend vor ihm aus. Der maskierte Mann hatte ebenfalls immer größere Schwierigkeiten damit, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Dieses Mädchen stellte seine Geduld mit ihrer rebellischen Art hart auf die Probe. Und dass sie ihn tatsächlich mit einem Pfeil im Oberschenkel getroffen hatte, den er sich noch im Lauf herausgezogen hatte, hatte seinem Gefühl der unanfechtbaren Überlegenheit einen schmerzlichen Dämpfer verpasst. Maél stand wutschnaubend über ihr. Plötzlich ging er in die Hocke und drückte ihren Kopf mit roher Gewalt auf den Boden, sodass sie Staub einatmete und Erde in den Mund bekam. Sand knirschte zwischen Eleas Zähnen. Seine Maske kam ihrem Kopf bedrohlich nahe. Ungehalten zischte er ihr ins Ohr: „Dann werde ich Euch eben tragen!“ Er drehte sie auf den Rücken und warf sie sich regelrecht über seine Schulter, als wäre sie so leicht wie ein Umhang. Dann marschierte er los, während Elea ihn beschimpfte und mit den herunterhängenden Beinen traktierte. Mit seinem freien Arm umklammerte er ihre Beine. Ihr gelang es jedoch immer wieder, eines ihrer Beine aus seiner Umklammerung zu befreien, sodass sie ihn mit der Stiefelspitze gegen den Oberschenkel trat – ganz in der Nähe seiner Wunde. Als sie dann auch noch lauthals zu schreien anfing, stellte er sie wutentbrannt auf die Beine und schlug ihr brutal mit der Faust an die Schläfe, sodass Elea weit zur Seite geschleudert wurde und auf den Boden aufprallte. Sie hatte durch den Schlag auf den Kopf sofort das Bewusstsein verloren. Ohne sich zu vergewissern, ob sie noch lebte, warf der maskierte Mann sich das Mädchen erneut über die Schulter und setzte seinen Rückmarsch durch den Wald ungestört fort.
Kapitel 4
Elea erlangte ihr Bewusstsein mit der Wahrnehmung eines hämmernden Dauerschmerzes an ihrer Schläfe zurück. Dieser Schmerz pochte im selben Rhythmus wie das Schaukeln ihres Oberkörpers, der noch immer auf der Schulter des Maskenmannes ruhte. Trotz seines Schlages wusste sie sofort, was geschehen war und wo sie sich befand. Sie hob etwas den Kopf, um zu sehen, wie weit sie noch von Albins Haus entfernt waren. Bei dieser kleinen Bewegung verstärkte sich sofort sein Griff. Ihm war also nicht entgangen, dass sie wieder zu sich gekommen war. Der silbrige Schein des Mondes, der bis eben als einzige Lichtquelle durch die dichten Baumwipfel den Waldboden nur spärlich erleuchtet hatte, bekam mit einem Mal Unterstützung von dem dämmernden Morgen. Elea konnte sehr gut erkennen, wo sie sich gerade befanden. Sie kannte jeden einzelnen Baum entlang des Weges, dem dieser Kerl mit seinen ausladenden Schritten folgte. Tatsächlich war es nicht mehr weit bis zu ihrem Zuhause. Sie musste also einige Zeit ohne Bewusstsein gewesen sein. Der scharfe Schmerz an ihren Handgelenken wetteiferte mit dem dumpfen Pochen in ihrem Kopf. Er hatte die Stricke so fest zugezogen, dass bereits die kleinste Bewegung höllische Schmerzen verursachte. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, bis sie kein Gefühl mehr in den Fingern hätte. Sie hasste diesen Mann, wie sie noch nie jemand gehasst hatte. Sie könnte ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, ein Messer in den Bauch rammen. Aber dafür war es noch zu früh. Bei ihren Schmerzen und der sie überkommenden Übelkeit war sie derzeit kaum in der Lage, diesem riesigen Monster ein Haar zu krümmen. Sie musste zähneknirschend einen erfolgversprechenderen Zeitpunkt abwarten.
Der erwachende Tag wurde aus allen Himmelsrichtungen von den Vögeln mit ihrem fröhlichem Gesang willkommen geheißen. In unvermindertem Tempo kamen sie dem Waldrand immer näher. Wird dieser Kerl denn überhaupt nicht müde? Elea musste jetzt ihren Zorn und ihren Hass auf ihn hinunterschlucken und sich gefügig zeigen. Wenn ihr das nicht gelänge und sie ihn weiterhin reizen würde, dann würde er, so wie sie ihn einschätzte, auch nicht davor zurückschrecken, sie vor den anderen zu schlagen, sogar vor Kaitlyn. Oh nein! Was hat er ihr vielleicht angetan? Sie durfte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Sie fühlte schon wieder, die Wut in ihr aufschäumen.
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