Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
Brennen konnter er jedoch durchaus leben. Erst recht, als er an Eleas Seite rutschte und sich an sie schmiegte, wie er es in der Vergangenheit schon so oft getan hatte. Er genoss das so vertraut gewordene Gefühl, ihren genesenden Körper an seinem zu spüren. Auf der Seite liegend legte er noch einen Arm schützend um sie und schloss die Augen. Er musste sich ausruhen und Kräfte sammeln für das, was in naher Zukunft noch auf ihn zukommen würde: eine wenig erfreuliche Auseinandersetzung mit dieser ebenso atemberaubenden wie nervtötenden Frau. An Darrach wollte er erst gar nicht denken. Mit welchem Schachzug er von ihm zu rechnen hatte, darüber war er sich durchaus im Klaren. Daher zählte nur, Elea so schnell wie möglich dazu zu bringen, mit ihrem Drachen von hier zu verschwinden.
Kapitel 10
... Finsternis, vollkommene Finsternis und absolute Stille, Totenstille lasten tonnenschwer auf ihr. Sie hat die Augen geöffnet und da ist nichts als eine Schwärze, die so undurchdringbar erscheint wie zähes Pech. Doch noch unerträglicher als diese bedrückende Finsternis ist die Lautlosigkeit, die ihr ein Gefühl von Verlassenheit vermittelt. Sie dreht den Kopf. Sie dreht sich im Kreis, um vielleicht ein Geräusch, so klein es auch ist, zu erhaschen. Ihr Körper ist angespannt, in Erwartung eines Lebenszeichens, eines Lebenszeichens irgendeines Wesens, ob gut oder böse. Nichts ist schrecklicher für sie als allein zu sein. Plötzlich hört sie von weitem leise, aber stetig lauter werdende Geräusche. Sie klingen wie nahende Schritte. Sie braucht Licht, sie will sehen, wer oder was sich ihr nähert. Sie greift instinktiv an ihren Kopf und entfernt das Tuch, das ihr Haar bedeckt. Ihr Haar fällt ihr wie rot züngelnde Flammen weit den Rücken hinunter. Daraufhin erstrahlt der Ort, an dem sie sich befindet, in rot glühendem Lichtschein. Sie befindet sich in einer kleinen Höhle, nein, vielmehr in einem Raum, gehauen in Stein. Sie sieht sich um. Ein großes Bett mit Fellen, ein Tisch mit zwei Stühlen und eine Truhe sind seine karge Einrichtung.
Die Schritte kommen immer näher. Sie schaut zugleich erwartungsvoll und ängstlich auf den hohen, schmalen türlosen Eingang, hinter dem die Finsternis, wie ein Raubtier lauert. Ihr Herz beginnt wie wild in ihrer Brust zu rasen und ihr Mund gibt keuchende Geräusche von sich.
Die Schritte sind jetzt ganz nahe. Urplötzlich erstirbt ihr Klang. Nur ihr Keuchen ist zu hören. Ihre Anspannung wächst von Augenblick zu Augenblick. Sie konzentriert ihren Blick auf die Schwärze hinter dem Eingang. Endlich können ihre Augen etwas entdecken. Es ist nur ein weißer Schimmer von der Größe eines Punktes, fast am oberen Ende des Eingangs. Das Geräusch der Schritte erklingt wieder, einer Erlösung gleichkommend. Der weiß schimmernde Punkt bewegt sich und wird etwas größer mit jedem weiteren Schritt. Langsam zeichnen sich Konturen zwischen dem roten Lichtschein in dem Raum und der Dunkelheit von draußen ab. Es sind menschliche Konturen. Konturen einer großen Gestalt. Es ist ein Mann. Sein Körperbau verrät es. Sie muss für einen kurzen Moment die Augen schließen, weil sie vor Anstrengung schmerzen. Als sie sie wieder öffnet, steht der Mann bereits bei ihr im Raum. Das kleine weiß schimmernde Licht kommt direkt aus seinem linken Auge. Er sieht sie an und schenkt ihr ein warmes Lächeln, das ihr gleichzeitig heiße und kalte Schauer über ihren Körper jagt. Denn während er lächelt, werden zwei lange Eckzähne entblößt. Mit dieser Entdeckung wird ihr Blick noch schärfer. Sie entdeckt noch eine weitere Absonderlichkeit: Er hat lange, spitze Ohren, die deutlich über sein sehr kurz geschnittenes Haar hinausragen. Ihr Blick kehrt wieder zurück zu seinen Augen. Für einen Menschen stehen sie viel zu schräg. Ihre Augen wandern über seinen Oberkörperkörper, der nackt ist. Er ist von außerordentlicher, fast schon überirdischer Athletik und Eleganz.
Sie weiß gar nicht, wie es geschah. Aber plötzlich steht er direkt vor ihr. Ihre Körper berühren sich fast. Nicht einmal ein Blatt passt mehr zwischen sie. Ihr Blick fällt auf zwei Ringe, die er um den Hals trägt: einen kleinen, der eng am Hals anliegt und einen größeren, der locker auf seinen Schlüsselbeinen liegt. Sie muss ihren Kopf etwas in den Nacken legen, um in seine Augen blicken zu können. Er lächelt sie immer noch liebevoll an. Sie ist wie gelähmt, ist nicht zu der kleinsten Bewegung fähig.
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