Elena – Ein Leben fuer Pferde
ihm, dass durch seine Schuld beinahe der Verkauf von Lagunas geplatzt wäre.
Ich trat in die Pedale und kurvte am Blumenrondell vorbei zum großen Parkplatz, auf dem nur wenige Autos standen. Ein Auto jedoch stach mir sofort ins Auge: der schwarze Mercedes mit dem ausländischen Kennzeichen. Die Tür der Gaststätte ging auf. Papa kam heraus, gefolgt von dem dicken, schnauzbärtigen Mann und seinem Begleiter. Was wollten die beiden hier, nachdem sie gestern den ganzen Abend auf dem Sonnenhof mit Richard Jungblut geredet hatten? Misstrauisch beobachtete ich, wie sie noch ein paar Minuten mit Papa sprachen, bevor sie sich die Hände schüttelten und zu ihrem Auto gingen. Ich schob mein Fahrrad weiter und stellte es neben der Haustür ab.
»Elena!«, rief Papa. »Warte mal!«
Ich fand, dass er ziemlich gut gelaunt aussah. Ob das mit dem dicken Schnauzbart zu tun hatte? Vielleicht wollte er ein paar Pferde auf den Amselhof bringen. Papas Handy klingelte.
»Du reitest Quintano heute mal draußen auf dem Platz«, sagte er, bevor er das Gespräch entgegennahm. »Um halb sechs, okay?«
»Ja, okay.« Ich zwang mich zu einem Lächeln und ging ins Haus. »Ich ziehe mich gerade um.«
Mit einem Ohr hörte ich, was Papa am Telefon sprach. Er erklärte jemandem den Weg vom Frankfurter Kreuz aus nach Steinau und von dort aus zum Amselhof.
»Kriegen wir einen neuen Einsteller?«, erkundigte ich mich.
»Das nicht«, erwiderte Papa. »Aber gleich kommt ein junger Mann, der eventuell einspringt, bis Jens wieder gesund ist.«
»Ist ja super«, sagte ich ohne große Begeisterung, aber Papa war schon in die Küche gegangen, um Mama die frohe Botschaft zu verkünden.
7. Kapitel
Der Wind hatte die Wolken davongefegt. Nun war es beinahe windstill und die tief stehende Sonne schien warm und freundlich von einem hellblauen Aprilhimmel, als ich auf Quintano zum Springplatz hinausritt.
Der braune Wallach war das reinste Nervenbündel gewesen, als er im vergangenen Spätsommer auf den Amselhof gekommen war, und so gut wie unreitbar. Papa hatte alles ausprobiert, Jens und Christian hatten auf dem Pferd gesessen, aber Quintano bekam Panik, sobald ein Mann auf seinem Rücken saß. Sein Besitzer, der Schweizer Pferdehändler Gerhard Nötzli, mit dem Papa oft Geschäfte machte, hatte Quintano bereits wieder abholen wollen, doch dann war er einmal auf den Amselhof gekommen, als ich allein auf Fritzi in der Halle ritt.
Herr Nötzli hatte mich gebeten, ihm Quintano vorzureiten, und das hatte ich getan. Ich war sogar mit dem Pferd gesprungen, und der Pferdehändler hatte mir – einem dreizehnjährigen Mädchen – ein ganz und gar ungewöhnliches Angebot gemacht. Er wollte, dass ich Quintano ritt und auf Turnieren vorstellte, dafür zahlte er mir jeden Monat zweihundert Euro und übernahm sämtliche anfallenden Kosten.
Mein Bruder hatte sich wie Rumpelstilzchen vor Zorn beinahe zerrissen, als er von dieser Abmachung gehört hatte, aber auch er musste mittlerweile zugeben, dass der nervöse Quintano mit mir sehr gut ging. Er war längst nicht mehr so schreckhaft und schien sich wohlzufühlen, wenn ich in seinem Sattel saß. Das Springen mit ihm war für mich noch immer ein aufregendes Erlebnis. Auch mit Fritzi war ich schon über hohe Hindernisse gesprungen, oder mit Calvador, dem besten Turnierpferd meines Vaters, aber Quintano sprang ganz anders. Man musste ganz still sitzen und bloß nicht zu viel Druck mit dem Schenkel machen, denn dann stürmte das Pferd kopflos auf und davon. Melike behauptete, sie würde für eine Million Euro nicht auf Quintano sitzen wollen, aber das hielt ich für leicht übertrieben.
Ich ritt Quintano erst im Schritt um den großen Springplatz, dann gurtete ich nach, nahm die Zügel auf und trabte an. Papa kam über den Hof, wenig später auch Mama. Sie sah oft zu, wenn ich Quintano ritt; ich glaube, es war ihr ein bisschen unheimlich, mich auf diesem temperamentvollen Pferd zu sehen.
Quintano war heute wieder sehr lebhaft. Es war das erste Mal nach dem langen Winter, dass er draußen auf dem Platz gehen durfte, und da gab es natürlich jede Menge zu gucken. Papa ließ mich über das kleine Kreuz, später über einen niedrigen Steilsprung und einen kleinen Oxer springen. Danach ging es in eine Reihe – fünf kleine Steilsprünge hintereinander, dazwischen lag auf dem Boden jeweils eine Stange. Das schulte nicht nur das Auge des Reiters, sondern vor allen Dingen das Vorderbein und den Rücken des
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