Elena – Ein Leben fuer Pferde
Welt.«
»Lajos!« Melike seufzte dramatisch und sank auf die Putzkiste. »Der ist leider wirklich ein bisschen zu alt für mich. Zu schade. Hm … was meinst du, Elena, wie alt ist Liam O’Brien?«
»Auch zu alt. Mindestens dreißig«, erwiderte ich todernst.
»Nein, nein, so alt ist er noch nicht. Höchstens dreiundzwanzig«, widersprach meine Freundin mir. »Ich habe festgestellt, dass die meisten Reiter viel älter aussehen, als sie sind. Und weißt du auch warum?«
»Nein.« Ich nahm Cotopaxi die Gamaschen ab.
»Sie sind dauernd an der frischen Luft. Sonne, Eiseskälte, Wind und Wetter«, erklärte Melike eifrig ihre Theorie. »Da vergerbt das Gesicht ganz schnell und sie kriegen Falten wie Matrosen oder Schafhirten. Außerdem sind sie dünn und drahtig. Dicke Leute werden nicht so schnell faltig. Und weil die meisten Reiter auch noch rauchen und Alkohol trinken, altern sie quasi im Zeitraffer, verglichen mit jemandem, der im Büro arbeitet.«
Mir war zwar den ganzen Tag nicht unbedingt nach Lachen zumute, aber jetzt musste ich derart lachen, dass ich Seitenstechen bekam. In diesem Moment kam Papa mit Liam O’Brien zurück in den Stall. Christian führte Circle of Life, die fünfjährige Stute, die bei uns den Spitznamen Conny hatte, hinter ihnen her.
Melike sprang wie von der Tarantel gestochen von der Putzkiste auf. Ich verbiss mir das Lachen und betrachtete Liam unauffällig. Sein Gesicht war kein bisschen gegerbt oder faltig, allerdings war er tatsächlich recht drahtig und nur ein wenig größer als ich. Melike und ich gingen hinaus zum Springplatz und meine Freundin laberte ununterbrochen vor sich hin.
»Liam O’Brien … Oh, Elena, schau doch, wie absolut göttlich er reitet! Es macht ihm überhaupt nichts aus, dass Conny so rumspinnt. Ach, ich könnte ihm stundenlang zusehen, wenn er reitet.«
Ich rammte ihr meinen Ellbogen in die Seite, aber Melike war nicht zu stoppen. Liam ritt wirklich sehr gut, auch mit der schwierigen Stute kam er problemlos zurecht, aber ich fand, er ritt nicht unbedingt besser als Papa oder Tim. Melike übertrieb hemmungslos.
»Meinst du, dein Vater stellt ihn ein?«, überlegte sie laut. »Ob er wohl eine Freundin hat?«
»Wer? Mein Vater?«, fragte ich zurück und kicherte.
»Du bist blöd!«, antwortete Melike und wir grinsten uns an. Es gab doch wirklich nichts Besseres auf der Welt als eine richtig gute Freundin.
Liam O’Brien würde als Ersatz für Jens bleiben, erst einmal für drei Monate, verkündete Papa, als er später zum Abendbrot ins Haus kam und sich an den Tisch setzte. Der junge Mann konnte gute Referenzen vorweisen, denn er hatte bereits in vielen großen Springställen gearbeitet, unter anderem bei einem bekannten Pferdehändler im Vogelsberg, von dem Papa Liams Telefonnummer bekommen hatte.
»Cool«, sagte Christian.
Ich freute mich auch, vor allen Dingen darauf, Melike später die frohe Botschaft mitzuteilen.
»Es wundert mich etwas, dass er sofort bei uns anfangen kann.« Mama stellte den Brotkorb auf den Tisch und setzte sich. »Muss er nicht noch irgendwo kündigen?«
Papa hörte auf zu lächeln und hob kurz die Augenbrauen.
»Wieso musst du überall Probleme sehen, wo keine sind?«, fragte er in einem gereizten Tonfall, den ich nur zu gut kannte. So hatte Papa in den Monaten vor dem Verkauf von Lagunas beinahe nur noch gesprochen. Ein falsches Wort hatte oft genügt, um ihn explodieren zu lassen. Mama erinnerte sich offenbar auch daran, denn sie sagte nichts mehr.
»Liam ist seit ein paar Monaten selbstständig, fährt durch die Gegend«, erklärte Papa und nahm sich eine Scheibe Brot. »Ich bin wirklich froh, dass Reinhold mir heute Mittag den Tipp gegeben hat. Hin und wieder muss man ja auch mal Glück haben.«
»Seine Eltern hatten ein Gestüt in Irland, aber sein Vater ist tödlich verunglückt, als Liam noch ein Junge war. Da musste die Mutter den Hof verkaufen«, wusste Christian. »Er hat ein paar Jahre in Amerika gearbeitet, in Florida, und ist da auch Turniere geritten. Das würde ich auch gern machen.«
»Du kannst doch grad mal genug Englisch für deine Computerspiele«, bemerkte ich. »Was willst du denn in Amerika?«
»Ich kann ganz sicher besser Englisch als du«, fauchte Christian.
»Hab ich bei SchülerVZ gelesen«, erwiderte ich und grinste. »Da hast du kein Wort richtig geschrieben.«
Christian wurde vor Zorn ganz rot im Gesicht und öffnete schon den Mund zu einer Antwort, aber Mama warf ihm einen
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