Elena – Ein Leben fuer Pferde
scharfen Blick zu und er schwieg, nur seine Augen schossen wütende Blitze.
»Wer waren die beiden Männer, mit denen du heute Nachmittag in der Gaststätte gesprochen hast, Micha?«, fragte Mama in dem Moment meinen Vater und mir fiel wieder die Visitenkarte ein.
»Khoren Gasparian, ein armenischer Geschäftsmann«, antwortete Papa. »Er besitzt eine Reitanlage in seiner Heimat, auf der er mit holsteinischen und hannoverschen Blutlinien Springpferde züchtet, und ist jetzt auf der Suche nach einem Hof in Deutschland. Es klang ganz interessant, was er erzählt hat.«
»Will er etwa den Amselhof kaufen?« Christian riss die Augen auf.
»Nein, das nicht.« Papa schüttelte den Kopf. »Er möchte Geld investieren. Wenn ich es richtig verstanden habe, sucht er einen Reiter, der schon internationale Turniererfahrung hat und der dann für Armenien reiten soll. Dafür kauft er Pferde, investiert in den Hof, kauft einen Lkw und so weiter.«
»Mir war er nicht sonderlich sympathisch«, sagte Mama, und ich pflichtete ihr im Stillen bei, als ich daran dachte, wie dieser Typ durch unseren Stall marschiert war und in jede Ecke geglotzt hatte.
»Sympathie hin oder her«, erwiderte Papa und lehnte sich zurück. »Der Gedanke ist interessant, einen Partner zu haben, der bereit ist, sehr viel Geld in den Hof und in die Anschaffung guter Pferde zu stecken. Gasparian will bis zu den nächsten Weltmeisterschaften eine Mannschaft zusammenstellen, die für Armenien reitet. Das ist sein großer Traum, und dafür ist er bereit, ein paar Millionen auszugeben.«
»Wow!« Christian rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her, seine Augen leuchteten begeistert. »Ein paar Millionen! Dazu noch einen nagelneuen Lkw und richtige internationale Kracher! Das ist doch unsere Riesenchance, Papa! Wir hätten keine Schulden mehr und du könntest auf der ganzen Welt reiten!«
»Ja, das ist wirklich eine verlockende Aussicht«, bestätigte Papa.
Ich warf Mama einen raschen Seitenblick zu. Für mich wäre es der absolute Horror, womöglich jeden Tag diesem schmierigen Dicken über den Weg zu laufen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass Mama begeistert davon wäre, wenn Papa überhaupt nicht mehr zu Hause sein würde.
Mein Bruder malte sich hingegen schon aus, wie es wäre, mit einem riesengroßen Lkw auf die Turniere zu fahren, aber Papa setzte seinen Träumen ein schnelles Ende.
»Ich habe aber abgelehnt«, sagte er. »Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, mich in die Abhängigkeit eines völlig Fremden zu begeben. Außerdem denke ich nicht daran, die armenische Staatsbürgerschaft anzunehmen und für Armenien auf Turnieren zu reiten.«
Christian starrte meinen Vater ungläubig an.
»Das glaub ich jetzt nicht!«, stieß er hervor. »Wie kannst du so was ablehnen, Papa? Auf einen Schlag wären wir alle Probleme los und wir …«
»Dafür würde es eine ganze Menge neuer Probleme geben«, unterbrach Papa ihn. »Ich möchte selbstständig bleiben und mir nicht dauernd sagen lassen, was ich zu tun habe.«
Sein Handy klingelte. Papa stand auf und ging hinaus, um zu telefonieren. Christian konnte es nicht fassen, dass Papa eine solche Gelegenheit einfach ausgeschlagen hatte, und schimpfte wie ein Rohrspatz. Mama erhob sich, und ich sprang ebenfalls auf und half ihr, den Tisch abzuräumen. Ich war froh, dass Papa abgelehnt hatte, und fragte mich insgeheim, was für ein Spiel dieser Gasparian spielte, denn schließlich hatte er gestern den ganzen Abend mit Richard Jungblut zusammengesessen. Aber das konnte ich meiner Familie natürlich unmöglich erzählen.
8. Kapitel
»Na? Wie fühlt sich das an?« Der Kieferorthopäde lächelte mich an. Ich fuhr mir mit der Zungenspitze über die Zähne. Was für ein Gefühl! Ich hatte diesen Tag herbeigesehnt und nun war er da. Nach drei langen Jahren waren heute die hässlichen Brackets entfernt worden.
»Hier!« Er hielt mir einen Spiegel hin und ich betrachtete ungläubig meine weißen regelmäßigen Zähne.
»Cool«, sagte ich und grinste breit. »Sieht super aus!«
»Ein echtes Zahnpastalächeln«, bestätigte der Zahnarzt. »Wie schnell doch drei Jahre vorbeigehen, hm?«
Unwillkürlich dachte ich an das, was Lajos neulich zu mir gesagt hatte. Was sind schon vier Jahre? Ich sprang von dem Behandlungsstuhl auf, stürmte hinaus ins Wartezimmer und präsentierte Mama meine makellos weißen Zähne.
»Siehst du«, sagte sie zufrieden. »Das hat sich doch gelohnt. Und was machen wir
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