Elena – Ein Leben fuer Pferde
Vergangenheit nicht getan, obwohl er über Tim und mich und unser Fritzi-Training Bescheid wusste.
»Wir haben eben den Parcours abgebaut. Seit Papa Fritzi reitet, müssen wir ja nicht mehr heimlich trainieren.«
»Und jetzt haben Elena und Tim keine Gelegenheit mehr, sich zu sehen«, ergänzte Melike kauend.
Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, und kämpfte sie mit aller Macht zurück. Bloß nicht heulen! Wenn ich jetzt damit anfing, würde ich nicht mehr aufhören können, das wusste ich.
»In der Schule kann ich nicht mit Tim sprechen, weil ich Angst haben muss, dass Christian uns sieht«, sagte ich niedergeschlagen. »Und nachmittags haben wir keinen Grund mehr, uns zu treffen.«
»Hm.« Lajos lehnte sich zurück und trank einen Schluck Kaffee. »Warum triffst du dich nicht hier bei mir mit Tim?«
»Das hab ich ihm auch schon vorgeschlagen«, erwiderte ich. »Aber er will nicht. Er hat Angst, dass du ihn nicht sehen willst wegen der alten Sache mit seinem Vater damals.«
»So ein Quatsch!« Lajos schüttelte den Kopf. »Was kann Tim denn wohl für Dinge, die passiert sind, bevor er überhaupt auf der Welt war! Sag ihm, er ist mir jederzeit willkommen. Ich würde mich sogar freuen, ihn kennenzulernen.«
»Danke«, murmelte ich.
Lajos war echt schwer in Ordnung. Er beugte sich über den Tisch, legte mir seine Hand unter das Kinn und blickte mich ernst an.
»Kopf hoch, Elena«, sagte er freundlich. »Ich weiß, dass es für euch beide nicht leicht ist. Aber etwas Geduld gehört zur Liebe dazu.«
»Etwas Geduld! Es wird ja immer schlimmer anstatt besser!« Ich blickte ihn kurz an. Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen, aber es gelang mir, die Tränen hinunterzuschlucken. Ich erzählte Lajos von den Sonnenhof-Prospekten und davon, dass unsere Einsteller nach und nach den Amselhof verließen, um ihre Pferde zu Jungbluts zu stellen.
»Es stimmt ja, dass der Amselhof nicht so supermodern und schick ist wie der Sonnenhof.« Meine Stimme zitterte leicht. »Wir haben kein piekfeines Reiterstübchen, keinen Ebbe-und-Flut-Dressurplatz und keine weißen Zäune um unsere Koppeln. Ja, hier und da regnet es durch die Dächer und nicht alle Boxen haben ein Fenster nach draußen, aber es …«
Ich verstummte und biss in mein Brot. Klar, es kränkte mich tierisch, wenn die Leute schlecht vom Amselhof sprachen, aber der Kern meines Problems war ein völlig anderer.
»Christian hasst Tim deswegen immer mehr«, sagte Melike an meiner Stelle. »Als ob der was dafür könnte!«
Lajos kratzte sich einigermaßen ratlos am Kopf. »Das ist wirklich eine schwierige Situation. Ich kann dir und Tim eigentlich nur raten, abzuwarten. Irgendwann seid ihr beide alt genug, und dann kann euch niemand mehr etwas vorschreiben.«
»Ich werde gerade mal vierzehn«, erinnerte ich ihn. »Tim wird wohl kaum vier Jahre auf mich warten!«
»Es kann sich doch so viel ändern«, antwortete Lajos. »Was sind schon vier Jahre?«
»Eine Ewigkeit«, flüsterte ich mutlos. »Eine endlose, grässliche Ewigkeit. Und irgendwann hat Tim keine Lust mehr, auf mich zu warten.«
Wir kamen nicht mehr dazu, Lajos beim Einbetonieren der Zaunpfähle zu helfen, denn Mama rief wieder an und erinnerte mich daran, dass ich noch Quintano reiten musste.
Als Melike und ich auf dem Amselhof ankamen, waren Opa, Christian, Stani und Heinrich damit beschäftigt, Hindernisse auf dem großen Springplatz aufzubauen. Besser gesagt, sie waren gerade damit fertig.
»Na, hat die Prinzessin einen schönen Nachmittag beim Pferdeflüsterer gehabt, während wir uns hier die Finger blutig schuften?«, bemerkte Christian spitz.
Ich beachtete ihn nicht und schob mein Fahrrad weiter. Von mir aus konnte mein Bruder zur Hölle fahren.
»Ich zieh mir schnell Reitklamotten an«, sagte ich zu Melike und schwang mich wieder auf mein Rad. »Bin in zehn Minuten im Stall.«
»Soll ich Ihrer vergesslichen Hoheit unterdessen das Ross satteln?«, rief Christian und verbeugte sich vor mir.
Am liebsten hätte ich zu ihm gesagt, er solle sein Maul halten, aber auf so eine Antwort wartete er nur, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Mein Bruder konnte es nur schlecht verkraften, dass er nicht mehr allein im Mittelpunkt von Papas Aufmerksamkeit stand. Er nahm mir übel, dass Herr Nötzli mir Quintano anvertraut hatte und nicht ihm, er ärgerte sich über die unglaublichen Fortschritte von Fritzi, über den er sich immer lustig gemacht hatte, und es nagte nach wie vor an
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