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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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im Wort ab. Um dem Speer auszuweichen, dessen Spitze unerbittlich auf ihr Gesicht zielte, hatte sie einen weiteren Schritt zur Seite gemacht und sich dabei halb umgedreht. Weit genug jedenfalls, um zu sehen, dass Alica und sie mit den beiden Soldaten allein im Zelt waren. Valoren war verschwunden.
    »Die Hexe!«, herrschte sie der Soldat an. »Wo ist sie geblieben?«
    »Das wüsste ich auch gern«, murmelte Alica neben ihr. Sie klang vollkommen fassungslos und damit ungefähr so, wie auch Pia sich fühlte. Von dem Moment an, in dem der Mann hereingestürmt war, bis jetzt waren kaum mehr als zwei oder höchstens drei Sekunden verstrichen, und das Zelt hatte keinen zweiten Ausgang. Dass Valoren an ihnen und den beiden Männern vorbeigekommen sein und unbemerkt das Zelt verlassen haben sollte, war ganz und gar ausgeschlossen.
    Trotzdem war sie nicht mehr da.
    »Die Hexe!«, sagte der Soldat noch einmal. »Wohin ist sie gegangen? Sie war hier! Ich weiß das!«
    »Ich verstehe nicht genau, wovon du sprichst.« Pia war noch immer vollkommen verwirrt, hatte sich jetzt aber so weit in der Gewalt, um dem Impuls zu widerstehen, einen weiteren Schritt vor der fuchtelnden Speerspitze zurückzuweichen, und auch ihre Stimme klang schon wieder halbwegs sicher. Der Soldat blickte aus funkelnden Augen zu ihr hoch und versuchte mutig auszusehen, aber er war es nicht. Seine Hand umklammerte den Speerschaft viel zu fest, und er hatte die Kiefer so heftig aufeinandergepresst, dass Pia seine Zähne knirschen hören konnte. Trotzdem beging sie nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen. Ganz im Gegenteil. Feinde, die Angst hatten, waren nur zu oft die gefährlichsten.
    »Ich habe doch gesehen, dass sie …«, begann er, und Pia schnitt ihm mit einer ruhigen, aber sehr bestimmten Geste das Wort ab.
    »Du musst dich täuschen«, sagte sie. »Hier ist niemand. Niemand außer uns.«
    »Sie war hier!«, beharrte der Mann nervös.
    »Nicht, seit wir hereingekommen sind«, erwiderte Pia. »Meine Freundin und ich waren neugierig, und wir wollten für einen Moment aus der Kälte heraus. Hätten wir das nicht gedurft? Ich entschuldige mich, wenn wir etwas Verbotenes getan haben. Wir kennen uns mit euren Gebräuchen noch nicht so gut aus.«
    Alica starrte immer noch abwechselnd sie, die beiden Männer und das völlig leere Zelt ringsum an, und Pia trat einen weiteren vorsichtigen Schritt zur Seite und machte zugleich eine deutende Geste mit beiden Händen. »Du siehst es doch selbst.« So wie sie. Und sie konnte es immer noch nicht glauben. Wo war Valoren?
    »Das kann nicht sein!«, beharrte der Soldat. »Das ist Zauberei! Schwarze Magie und Hexenwerk!«
    »Ja, das muss es wohl sein«, antwortete Pia spöttisch – was ein Fehler war. Die Worte klangen sogar in ihren eigenen Ohren eher unheimlich, und Alica starrte sie für eine Sekunde beinahe entsetzt an. Der Soldat tat dasselbe, und sie konnte sehen, wie die Furcht in seinen Augen regelrecht explodierte. Dann senkte er zwar den Speer ein wenig, sodass er jetzt nicht mehr genau auf ihr Gesicht deutete (dafür auf ihr Herz, was für ein prachtvoller Tausch), schüttelte aber nur den Kopf und machte ein noch grimmigeres Gesicht.
    »Das ist übler Zauber!«, behauptete er. »Was habt ihr damit zu tun?«
    »Nichts«, beteuerte Pia. »Ich sagte doch, hier drinnen war niemand, als wir …«
    Der Mann schnitt ihr mit einer rüden Geste das Wort ab. »Genug!«, fauchte er. »Ich will kein Wort mehr hören!« Er tauschte einen raschen, bezeichnenden Blick mit seinem Begleiter, der bisher kein Wort gesagt und auch seine Waffe nicht auf sie oder Alica gerichtet hatte, aber mindestens genauso nervös und erschrocken aussah wie er, dann machte er mit der freien Hand eine wedelnde Geste zum Ausgang. »Ihr werdet uns begleiten! Sollen andere entscheiden, was mit euch zu geschehen hat!«
    Pia war klug genug, nicht zu widersprechen, sondern nur mit einem Nicken zu antworten und sich zum Ausgang zu wenden.
    »Würdest du mir freundlicherweise verraten, was hier los ist?«, fragte Alica kläglich.
    »Ach, nichts Besonderes«, erwiderte Pia. »Ich schätze, wir sind gerade verhaftet worden.«
    »Verhaftet?«, wiederholte Alica verwirrt. »Weswegen?«
    Pia überlegte eine Sekunde. »Hexerei?«, schlug sie dann vor.

XVI
    I ch bin enttäuscht«, sagte Istvan und gab sich redliche Mühe, eine dazu passende Leichenbittermiene zu machen. »Enttäuscht und sogar ein bisschen ärgerlich, Gaylen. Ich hatte gehofft, dass wir uns

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