Elfenkrieg
Die Drachen waren einfach alle fort. Man sollte glauben, solch riesige Geschöpfe würden auffallen, zumal wenn das gesamte Volk verschwunden war, doch es gab nicht den geringsten Hinweis. Es war noch nicht einmal möglich, jene Drachen, welche die Angriffe auf die Orakel führten, zu verfolgen, da sie stets in den mysteriösen Wolken verschwanden, die kurz vor deren Angriff erschienen und sich danach wieder auflösten. Alle waren sich einig, dass ein gewaltiges Ausmaß an Magie vonnöten war, um einen solchen Nebel zu erschaffen. Dies schränkte die Auswahl an Verdächtigen zumindest etwas ein. Die Tatsache, dass die Drachen stets allein, ohne die Drachenelfen angriffen, war ebenso sonderbar wie beunruhigend. Was nur war mit ihnen geschehen?
»Du sagst, der Nebel löste sich auf, nachdem Nevliin einen von ihnen erwischt hatte?« Liadan richtete sich in dem Stuhl auf und strich mit der Hand über ihre Stirn.
»Ja«, antwortete Ardemir nicht weniger verwirrt als seine Königin. »Ohne Kampf, einfach so. Er muss einen Volltreffer gelandet haben. Frag mich nicht, wie. Da war nichts zu sehen, nichts zu hören.«
»Aber wir wissen immer noch nicht, wer sie sind. Deine Beschreibung ... Es könnte jeder sein. Wir müssen die Drachen finden, Ardemir. Etwas Schreckliches passiert, und es wird noch viel schlimmer werden.« Sie erhob sich und ging auf den kalten Kamin zu. »Das Sonnental wurde am stärksten getroffen. Fürst Daeron und Menavor wollen weitere Unterstützung. Soll ich ihnen mehr Ritter senden?« Liadan wandte sich zu Ardemir um. »Soll ich Lurness wirklich noch weiter schwächen? Was, wenn wir die Nächsten sind? Will König Hafnir mir den Krieg erklären? Er war uns immer freundlich gesinnt, ich habe ihm oder seinem Volk nichts getan. Ich ...«
»Liadan«, Ardemir ging auf sie zu, legte seine Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen, »wir werden die Antworten finden. Wir werden erfahren, welches Spiel hier gespielt wird.«
Die Königin trat einen Schritt zurück. »Das ist kein Spiel, Ardemir. Elfen sterben. Wie viele waren es heute? Zwei Krieger und ein halbes Dutzend Zivilisten?« Sie ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »Und da wären wir beim nächsten Problem«, sagte sie so leise, dass er sie beinahe nicht verstanden hätte.
Ardemir atmete tief durch. »Es wird immer schwieriger mit Nevliin. Das gestern war ...«
»Ich weiß. So kann es nicht weitergehen.«
»Die Ritter fürchten ihn. Entweder ist er aggressiv, oder er macht irgendwelche Dummheiten ... so wie gestern. Ich fürchte wirklich um seinen Verstand.«
Liadan sah wieder zu Ardemir auf. Es war ihr anzusehen, dass sie dieses Thema mindestens genauso zermürbte wie die Drachenangriffe. Nevliins Zustand schmerzte sie, und sosehr sie sich bemühte, an ihn heranzukommen, um ihm zu helfen, so sehr traf er sie mit seiner Gleichgültigkeit. »Soll ich ihm die Befehlsgewalt nehmen?«, fragte sie ratlos.
Ardemir ließ sich ihr gegenüber nieder, er strich sich mit der Hand durch das, was nach dem Brand von dem schwarzen Haar übriggeblieben war. »Nevliin ist einer der erfahrensten Kämpfer, einer der besten, der beste.«
»Ist oder war?«
»Er kennt sich im Kampf gegen Drachen aus wie niemand sonst.« Ardemir seufzte. »Er wird nicht zurück nach Valdoreen gehen. Wir haben es versucht. Solange er eine Aufgabe hat ... In Valdoreen würde er zugrunde gehen.«
»Schlimmer als jetzt?« Liadan lehnte sich zurück, sie schloss einen kurzen Augenblick die Augen, dann sah sie ihn wieder an. »Es sind vierundachtzig Jahre, Ardemir. Sie starb vor vierundachtzig Jahren.«
»Ich dachte auch, es würde besser werden, aber er will sich nicht helfen lassen.«
»Ich werde noch einmal mit ihm sprechen.«
»Nein.« Ardemir nahm die Hand seiner Cousine, doch sie entzog sie ihm sofort wieder.
»Ich kann Nevliin nicht so weitermachen lassen«, sagte sie. »Er zerstört sich selbst. Er bringt andere in Gefahr.«
»Vielleicht braucht er mehr Zeit.«
Liadan zog ihre Augenbrauen hoch, schüttelte leicht den Kopf. Es war hoffnungslos, wie sie selbst wusste. Nevliin warimmer schon eine dunkle Seele gewesen, bei allen als kalt und distanziert bekannt, doch seit Vanoras Tod war er unberechenbar geworden. Liadan konnte nicht ewig über seine Eskapaden hinwegsehen und ihn stets bevorzugt behandeln. Die Ritter sahen zu ihm auf, zumindest war dies früher so gewesen, doch seine Launen und vor allem die immer häufiger und heftiger ausartenden
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