Sevenheart (1) - Gefährliche Zeiten (German Edition)
Vorwort
Vor langer Zeit hatte mein Vater ein Haus namens Wolfslauf gekauft.
Es wurde aus den alten, niedergekommenen Ruinen einer druidischen Festung als Jagdhaus mitten in einem Wald erbaut.
Er hatte damals darauf bestanden, das alte Haus mit seiner kompletten Einrichtung und allen Möbeln zu kaufen, weil auch diese ihre eigenen Geschichten hatten. Das machte es einzigartig.
Viele Leute fürchteten dieses Haus. Im Dorf erzählte man sich, dass die verstorbenen Seelen der alten Hausbesitzer nachts dort herumgeistern. Diese Geister würde man erkennen, wenn man einen kalten Hauch im Nacken spürt, der sich wie eine knochige Skeletthand um die Schulter legte. Natürlich gab es dort Hausgeister, doch die machten sich auf eine andere Art und Weise bemerkbar.
Wie das Haus zu seinem Namen kam, ist eine andere Geschichte. Die Bewohner des Nachbardorfes munkelten darüber, dass die Wölfe jeden Vollmond kamen, um Rache an den Menschen zu nehmen. Denn in den Kriegszeiten hätte man der Sage nach einige Wolfsjungen geklaut und sie im Haus versteckt. Aus diesem Grund würden die Wolfsmütter jede Nacht um das Haus laufen und an den Hauswänden kratzten, um ihre Jungen wiederzuverlangen.
Tatsächlich konnte man auch heute noch an den Hauswänden Kratzspuren erkennen, jedoch stimmt auch diese Geschichte nicht.
Über zweihundert Jahre lang wohnten dort Generationen von Familien. Meistens arme Leute, die sich aus dem gruseligen Haus im Wald ein Zuhause machten. Im zweiten Weltkrieg war es die Zuflucht von Juden, die sich bei Durchsuchungsbefehlen in den unterirdischen Gängen des Hauses versteckten. Manche davon kamen dort nie wieder heraus, andere fanden den einzigen Ausgang, der sich unter dem Friedhof des Nachbardorfes befand.
Der letzte Besitzer war ein Mann mittleren Alters, der sich nach Verkauf des Hauses an meinen Vater umgebracht hat. Nicht, ohne vorher ein Abschiedsgedicht zu hinterlassen, in welchem er seine Liebe für das Haus gesteht:
Ich denk des Wolfslaufs oft auf stiller Höh’,
Der Kauz lockt nächtlich dort, als ob er riefe,
Am Abhang grast das Reh,
Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe,
Oh Stille, wecke nicht,
Es war, als schliefe da drunten ein unnennbarer Weh,
Kennt Ihr den Garten? Und die grüne Erde?
Wenn sich Lenz erneuert, geht dort Gott Pan zu Pferde,
Auf kühlen Wegen still durch die Einsamkeit,
Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,
Als ob die Blumen und die Bäume sängen,
Rings von der alten schönen Zeit.
Der Wolfslauf hatte ein atemberaubendes Außengelände, das ihn umgab. Während den langen, glücklichen Sommermonaten blühten dort die verschiedensten Pflanzen und Bäume. Es erschien uns wie ein Wunderland, von dessen Anblick man sich nicht satt sehen konnte. Denn mein Vater hatte seit dem Kauf des Hauses daran gehalten, jedes Jahr hundert Bäume und Pflanzen zu setzen, die das Gelände wunderschön machten.
Im kalten, stillen Winter dagegen ruhte der Wolfslauf unter einer dicken Schneedecke, die sich schützend auf ihn legte und ihn erst wieder zeigte, wenn die Schneeglöckchen ihren Weg an die Oberfläche fanden und die ersten Radfahrer im Frühling vorbeifuhren.
Außerdem hatte das Jagdhaus vier unterschiedliche Hausseiten- je nach dem, aus welchem Winkel man ihn betrachtete. Wegen des alten Glockenturms sah er von vorne aus wie eine Kirche. Von links wie eine alte Scheune. Von rechts wie ein großes Haus. Und von hinten wegen des großen Hofes wie ein Bauernhof.
Um die Einzigartigkeit des Hauses noch zu unterstreichen, holte sich mein Vater noch zwei Nandus, zwölf Hirsche und einen Pfau dazu, der auf den Namen Felix getauft wurde. Davon abgesehen hatten wir dort drei Pferde, zehn Hühner, zwei Enten und eine Katze.
Es war keineswegs ein Bauernhof. Nur ein altes Haus mit vielen Tieren.
Um das Haus noch gruseliger wirken zu lassen, holte er sich zwei Hunde. Einen riesigen dunkelbraunen Neufundländer, der aussah wie ein Bär und einen schwarzen Schäferhund mit gelben Augen, der einem Wolf glich. Das waren Balu und Argo, die aber nur gefährlich aussahen. Eigentlich taten sie keiner Fliege etwas zu leide.
Wanderer oder Fremde, die vorbeikamen, blieben immer ein paar Minuten stehen, bevor sie weitergingen. So fasziniert waren sie von dem Haus.
Verwandte und Freunde, die das Haus kannten, bewunderten es jedes Mal von Neuem, aber länger als einen Nachmittag wollten sie nie dableiben.
Mein Vater und ich hingegen fühlten uns
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